Rabbiner Samson Raphael HIRSCH
(1808-1888)
וירא
Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Wajéro
Kap.18 V.1 Da ward
Gott ihm sichtbar unter den Bäumen Mamres; während er vor der Thüre seines
Zeltes saß, als der Tag glühte.
Kap. 18,
V.1 Gottes Gegenwart ist überall, aber sie wird nicht von jedem geschaut. Nur
nach eine Hingebung, wieAbraham sie eben geübt und übte, ward Gott sichtbar –
… Es ist dies das erste Mal, in welchem wir Abraham als eigentlichen נביא vor Gott stehen sehen, der מגלה סודו אל עבדיו הנביאים. Diese Stufe hatte Abraham erst
in Folge der Mila errungen …
Wie hat man
nicht das Judentum, dieses Erbteil der Abrahamiden, und dessen Träger, die
Juden, verlästert. Wie nicht diese „Beschnittenen“ sich als die bevorzugt „Einzigen“
mit ihrem Gotte dünken, wie soll nicht eben dieses absondernden Zeichen sie
jedes kosmopolitischen, Menschen und Menschheit umfassenden Gefühles und
Gedankens entkleiden, und den Gott des Himmels und der Erde, den Gott aller
Menschenseelen ihnen zu dem Gotte ihres Erdwinkels und zu dem Nationalgott des
Stammes verschrumpfen! Da sitzt nun der erste beschnittene Jude! Und wo? In
Mamres Hain! Noch immer unter Aner, Eschkol und Mamre, die nicht אנשי בריתו, dieבעלי ברית אברהם waren, die als Herren ihn in die
Bundesgenossenschaft aufgenommen hatten, und, „obgleich beschnitten“, war er in
seinem Verhalten zu der nicht-abrahamitischen Menschheit ganz derselbe. War es
doch – so lehren die alten verschrieen Rabbinen, diese ächtesten Abrahamssöhne
– Abrahams einzige Sorge, die ihn den Sonnenbrand vor seiner Tür rief, es
möchten jetzt, nach der Beschneidung, die Menschen sich von ihm zurückziehen,
lehren dies, um dabei an Abrahams Beispiel seinen Söhnen den Satz
einzuschärfen: ,גדולה הכנסת אורחים יותר מקבלת
פני שכינה Wanderer gastfrei aufzunehmen, gilt höher als vor dem
Angesichte Gottes stehen! Und
welche Wanderer! Unbeschnittenen Götzendienern – denn andere konnte Abraham gar
nicht erwarten – eilt Abraham aus dem Angesichte Gottes entgegen, um an ihnen
die Pflicht der Menschenliebe zu üben! Und wie übte er sie! So jagt
keiner einem winkenden Gewinnste entgegen, wie ihr Abraham dieser Gelegenheit,
als erster beschnittener Jude Mensch zu gegen Menschen zu sein! …Das Bild steht
unmittelbar nach der Mila. Die in der Beschneidungsisolierung heranblühenden
Abrahamiden sollen die humansten Menschen sein. Bilden den entschiedensten
Gegensatz zur Welt und sollen doch für alles allgemeine Menschliche ewig bereit
gefunden werden, für die Pflege dieser edelsten Humanität werden sie isoliert,
und als Herold dieses Geistes hat sich vor allem Abraham als אב, und אבר המון גוים, als geistiger Vater und
sittigende Schwungkraft des Völkergewoges bewährt. Und nicht umsonst ist
Abraham in den Sonnenbrand vor seinem Zelte, geeilt. Wenn etwas seine Söhne,
die verschrieenen Juden, von ihm geerbt, der Genius dieser allweiten
Menschenliebe ist von ihm ihnen zum Erbe gefallen. Das hat ihnen keine Zeit
abgesprochen. Wo man offene Herzen, Häuser und Hände, wo man Opferwilligkeit
für menschliche Zwecke finden will – gottlob, ein Funke von der Abrahamslehre
hat nicht umsonst im Schoße der Menschheit gezündet und auch im
nichtabrahamitischen Kreise sind sie zu finden – da suchen noch heute selbst
die Verächter des Judentums sie in erster Linie auf – bei Juden.
V.19 Denn ich habe ja nur deshalb mein besonderes Augenmerk
auf ihn gerichtet, damit er seine Kinder und sein Haus nach sich verpflichte,
daß sie den Weg Gottes hüten, Pflichtmilde und Recht üben, damit Gott über
Abraham bringe, was er über ihn ausgesprochen.
V. 19 כי ידעתיו. ידע sich einen Gegenstand in seinem spezifischen Merkmalen zum
Bewußtsein bringen: erkennen. Im Verhältnis des Mannes zum Weibe bezeichnet es
den innigsten Umgang des Gattenlebens. Von Gott zum Menschen bezeichnet es: die
besondere Berücksichtigung in seiner Waltung. Nicht Gott zugewandte Menschen
stehen nur unter der allgemeinen Obhut Gottes. Diejenigen, die sich ganz Gott
unterordnen, die nichts anderes als Gottes Boten auf Erden sind und sein
wollen, denen wendet Gott seine besondere Führung und Leitung zu. Wie wir Gott
suchen, so sucht er uns. Wer mit Gott, wie es später heißt, בקרי, im Zufall wandelt, wer das Wandeln in
Gottes Wegen dem Zufall überläßt, wer nicht die Übereinstimmung mit dem
göttlichen Willen in erster Linie sucht, sondern andere Zwecke anstrebt und die
Übereinstimmung mit Gott dem Zufall überläßt, mit dem wandelt Gott auch בקרי, überläßt ihn den Wechselfällen des
Zufalls. Den höchsten Gegensatz zu diesen bilden jene, die sich ihm als seine
Werkzeuge auf Erden darbiete, die die Erfüllung des göttlichen Willens als
einzigen Zweck ihres Daseins und Wirkens anstreben und alles andere Gott anheim
stellen, und die Er darum in besondere Erziehung und Leitung nimmt. Diese
besondere Erziehung und Leitung heißt ידע –.
דרך ד' kommt in doppelter Beziehung vor. Der Weg,
den Gott geht und derjenige, den Er von uns gegangen wissen will. Beide fallen
ineinander. Der Weg des Guten, den er uns wandeln sehen will, bildet einen
kleinen, uns übertragenen Teil seines großen Weges. Es sind Zwecke, die er
durch uns, in seinem Auftrage versorgt wissen will. Darum geht der Weg des
Braven dem Wege der göttlichen Weltführung harmonisch parallel, und wird von
dieser mit gewahrt und getragen. Darum führt der Weg des Schlechten wider den
Weg der göttlichen Weltführung, und wird von dieser zertrümmert und begraben.
Darum heißt es: כי ישרים דרכי ד'
וצדיקים ילכו בם (Hosea 14,10).
Die
Aufgaben für welche Abraham seine Nachkommen erziehen soll heißt: לשמר דרך ד', das Innehalten des gottgewiesenen Wandels
und לעשות צדקה ומשפט,
die Ausübung der Pflichttat und des Rechts. Jenes ist das התהלך לפני ד' והיות תמים, der heilige sittenreine Wandel vor Gott,
wie ihn die Mila zu Grunde gelegt, dieses: der menschliche Wandel mit Menschen,
wie er eben in Abrahams Beispiel zu Tage trat. Beides ist der vollendete
Gegensatz zu Sodom, jenes zu der Unsittlichkeit der חטאים, dieses zu der Unmenschlichkeit der רעים.
Abrahams צואה heißt nun nicht: ושמרו דרך ד' ועשו צדקה ומשפט
sondern ושמרו דרך ד' לעשות צדקהWie Gott
mit Mila den sittlichen Grundstein seines Volkes gelegt, wie später das Wort
des Gesetzes immer erst חק
und dann erst משפט, erst חקים und dann משפטים,
erst die unser ganzes sinnlich leibliches Leben innerhalb der Reinheit und
Heiligkeit pflanzenden und umschränkenden, und dann jene Gesetze nennt, die
unser menschliches Leben zum Menschen regeln: also heißt es auch hier: ושמרו דרך ד' לעשות צדקה ומשפט der sittenreine Wandel vor Gott
ist die Vorbedingung und Wurzel zu einen wahrhaft gerechten pflichtgetreuen
Leben mit Menschen. Nur eine im Schoße der חקים gezeugten, geborenes und erzognes und in ihnen fortwandelndes
Geschlecht wird ertüchtigt, ein Leben der צדקה ומשפט in Gottes Sinne zu leben. Die מצות שבין אדם למקום sind Vorbedingung und Wurzel zu den מצות שבין אדם
לחברו. Ein Geschlecht, das sittlich zu Grunde geht, hat auch keine
soziale Zukunft.
צדקה ומשפט, wir haben heute bereits erkannt daß,
während משפט eine solche Leistung bezeichnet,
die ein Mensch von dem andern aus sich zu fordern ein Recht hat, צדקה – von Menschen zu Menschen gebraucht, eine
solche Leistung bezeichnet, auf die ein Mensch an den andern aus sich kein
Recht besitzt, auf die ihm aber Gott an den Anspruch erteilt, die er aus sich
nicht zu fordern, wohl aber im Namen Gottes von den andern zu erwarten
berechtigt ist. משפט
ist das einfache Recht, צדקה
die Wohltat, aber als Pflicht begriffen. Während aber in der Regel משפט vor צדקה genannt wird, משפט וצדקה,
tritt gerade hier höchst charakteristisch צדקה in den Vordergrund, לעשות צדקה ומשפט. Erst משפט, dann צדקה
lautet die Regel. Nie kann צדקה
sühnend eintreten für das, was gegen משפט verbrochen wird. Mit der einen Hand rauben und unehrlich sein und mit der andern Hand
von dem Geraubten und unehrlich Erworbenen Almosen geben, ist der jüdische
Wahrheit ein Greuel. Dem vom Raube dargebrachten Opfer schleudert Gott
sein: אני ד' אוהב משפט שונא גזל בעולה
(Jes. 61,1) entgegen: „Recht liebe ich, hasse Raube im Opfer!“ Nur mit reinen
Händen darf man Gott sich nahen. Darum: erst משפט dann צדקה.
Hier aber
steht zuerst צדקה; denn hier gilts dem jüdischen
Protest gegen Sodoms Lebens- und Staatsmaxime. Nicht משפט, צדקה
heißt das welterlösende Wort, das Abrahams Haus durch die Welt tragen soll. Wie
weit ab auch das von Menschen „gefundene“ Recht von dem Gottesrechte absteht,
und selbst von משפטים der jüdische Sänger singt: בל ידעום, daß die nicht-jüdische Welt davon kaum
eine Ahnung habe: משפט,
eine Art von משפט ist auch in Sodom zu Hause, ja
Sodom zeigt uns, wie eine genußsüchtige, in sinnliche Wollust versunkene Welt,
welcher zuletzt der Mensch auch nur soviel gilt, als er Genuß gewährt, zuletzt
gerade die Rechtsidee zu einem zweischneidigen Sophismus zuspitzt, das die
nackteste Selbstsucht schamlos als Prinzip heiligt, und mit der Maxime: שלי שלי שלך שלך, „mein bleibt das Meine, bleibe dein das
Deine“, Hülfsbedürfigkeit zum Verbrechen und Hülfeleistung ein Torheit für den
Helfenden und zum Verbrechen gegen die öffentliche Wohlfahrt stempelt. Unter
dem Regime eines sodomitischen Rechts, wo nur Leistung, nicht Bedürfnis einen
Anspruch begründet, ist Armut und Elend geächtet, findet höchstens nur der Leistung
verheißende Begüterte wie Lot eine Stätte, aber: „Betteln ist verboten“,
zehrgeldloser Unglücklichen wartet Sträflinge gleich „Kerker und Schub“, und
das Zedoko-lose Recht verkehrt sich in Unmenschlichkeit und Härte. Dem
gegenüber kehrt das „Testament“ Abrahams an seine Kinder צדקה vor משפט
heraus, ja der Rechtskodex der Kinder Abrahams kennt selbst in gewissen Fälle צדקה als משפט und spricht: זה נהנה וזה לא חסד כופין על מדת סדום. Und es ist die jüdische Zedoko , nicht jenes „Almosen“,
das den Geber hochmütig macht und den Empfänger erniedrigt, auch nicht jene
Fürsorge für die Armut, die zum Schutze der Reichen gegen die Armen nicht zur
Verzweiflung kommen lassen will, sondern jene „Pflichttat“ an die jeder
Bedürftige im Namen Gottes, mit von Gott berechtigtem Anspruch hinantritt, die
den Armen vor dem Reichen aufrecht stehen und den Reichen sich nur als
Verwalter eines den Armen gehörenden Schatzes begreifen läßt.
Und nicht צדקה und משפט absolut, sondern bei in jüdischen Sinne als die am Baume des
„Wandels vor Gott“ gezeitigte Frucht – erlösen die Welt von Verbrechen und
Unglück. Der ganze Mensch muß vor Gott wandeln, sein ganzes Leben muß von der
Idee der Pflicht vor Gott getragen sein, dann wird sein Verhalten von Mensch zu
Mensch auch nur das Diktat der Pflicht verwirklichen.
Allein
nicht von außen, nicht durch Verwaltungsmaßregeln und Juridiktion, auch nicht
durch Welterschütterung, die das rote Gespenst schreckend an die Paläste und
Häuser der Reichen sendet, sondern nur von Innen heraus, durch eine innere
Revolution der Geister und Gemüter, durch Erzeugung und Erziehung eines
Menschengeschlechtes zur Pflicht können solche Pflichtmenschen gewonnen werden,
die noch dem späten Enkel das von Gott diktierte Testament des Ahns als
leitendes Vermächtnis mit hinausgeben: ושמרו דרך ד' לעשות צדקה ומשפט Nicht „zum Glauben an Gott“ , zur „Erfüllung seiner Gebote“ muß das
Geschlecht geboren und erzogen werden, sonst kann wohl die Klugheit zu einer
Rechtsachtung und die Furcht zu einer Mildtat führen, allein mitten in aller
„Gottglaubigkeit“ können die Menschen zu רעים וחטאים לד' entarten, und es kann unter den Formen des Rechts mit צדקה ומשפט so gewirtschaftet werden, das man sagen
könnte: „wehe dem, der in die Hände eines Gabbei Zedoko oder eines יושב על המשפט verfällt – “. Darum begreifen
wir, wie in dem Momente, wo mit Mila und Menschenliebe der Grundstein des
jüdischen Volkes gelegt wird, das zum דרך ד' לעשות צדקה ומשפט erzogen werden soll, Abraham dem Werkzeuge
und Vermittler einer solchen Volkserziehung, der Blick auf ein Gottesgericht
gelenkt wird, das in demselben Momente über einen Kreis macht- und glückstolzer
Städte sich zu vollziehen im Begriffe war, in welchen der דרך ד' bis zur sittlichen Entartung vergessen und צדקה ומשפט in ihr schreiendstes Gegenteil verwandelt
war…
23. Da trat Abraham hin und sprach: Sollest du denn
auch mit den Untergang hineinreißen? Den Gerechten mit dem Schuldigen?
24. Vielleicht sind fünfzig Gerechte in Mitten der
Stadt, solltest du da die mit strafen wollen und nicht der Gegend verzeihen zum
Besten der fünfzig Gerechten, die sich in ihr befinden?
25. Zu töten den Gerechten mit dem Schuldigen, daß der
Gerechte wie der Schuldige sei, ein solches tun, das – weiß ich – wäre
Entweihung dir. Entweihung wäre es dir; wie sollte der Richter der ganzen Erde
nicht Recht ausüben!
VV. 23, 24,
25 … Das Ideal eines Gerechten im Mitten einer sodomitischen Entartung das
Abraham vorschwebt, um dessentwillen die Gesamtheit gerettet werden dürfte, ist
nicht ein solcher, der in hochmütigen Selbstgefühl die Menge preisgibt, ihrem
sittlichen Untergange müßig zusieht, sich in die Einsamkeit zurückzieht und
glaubt, genug getan zu haben, wenn er nur sich und höchstens die eigenen Seinen
rettet. Ja, ein solcher wäre ihm gar nicht der Gerechte, hätte mitnichten der
Verpflichten genügt, die der Bessere in solcher Umgebung trüge, und wäre am
wenigsten geeignet, um seinentwillen die Gesamtheit, die er ja längst
preisgegeben, gerettet zu sehen. Der Untergang der Gesamtheit ließe einen
solchen ja kalt, ja erfüllte ihn vielleicht gar mit befriedigender Genugtuung.
Das ist
Abrahams Gerechter, dessen Berücksichtigung die Rettung der Gesamtheit bewirken
sollte, nicht. Sein Gerechter befindet sich בתוך העיר „in Mitten der Stadt“, in Mitten und in lebendiger Beziehung zu
allen und allem. Er läßt nicht ab zu ermahnen, zu lehren, zu warnen, zu
bessern, zu retten, wo und wie er kann. Alle und alle liegt ihm am Herzen, und
er wird nicht müde, Besserung zu versuchen, wie fern auch immer die Hoffnung
des Gelingens: Sein menschlich Herz verzweifelt am Menschen nie, und treibt ihn
unablässig zur Tätigkeit für die Menschen. Das sind die Gerechten, die er בתוך העיר voraussetzt, denen jede Seele aller dieser
Tausende schmerzlich absterben würde, wie dem Gärtner die Pflanze, um dessen
Gedeihen er sich früh und spät bemüht, und von der fünfzig Abraham die
Erhaltung des Ganzen zu erhoffen wagt. Beim Untergang Jerusalems – lehren die
Weisen – wurden gerade dem „Gerechten“, die das Gesetz von א bis ת erfüllt hatten, zuerst dem Untergange geweiht, weil sie eben
nicht בתוך העיר gewesen, und sich um die
Besserung ihrer Mitbürger nicht bemüht (Sabb. 59a zu Jechesk.9)
28. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf, würdest
du um der fünf willen die ganze Stadt verderben? Da sprach er: Ich werde nicht
verderben wenn ich dort fünfundvierzig finde.
V. 28 f.
…Das Vorhanden- und Geduldetsein einer Anzahl Gerechter in einem gottlosen
Staat verliert seine freisprechende Beweiskraft bei einem Maximum und Minimum,
und hat seine eigentliche Bedeutung nur bei einer mittleren Größe dieser
Anzahl. Imponiert die Zahl durch ihre Größe, so duldet man sie, weil man sie
fürchtet. Verschwindet sie durch ihre Kleinheit, so duldet man sie, weil man
sie übersieht. Nur bei einer Mittelzahl, wo man sie weder fürchtet noch
übersieht, hat ihr Vorhanden- und Gedultetsein seine volle Bedeutung. Darüber
und darunter nimmt die Bedeutung ab. Vielleicht sucht Abraham Klarheit über
dies Verhältnis und vielleicht entspricht dem auch der bemerkte
Ausdruckswechsel. …K Jedenfalls hat dieser Einblick in die göttliche Gnade
Abraham gewährt, seinen Kindern, die ja bestimmt worden, Jahrtausende hinab als
eine Minorität in Mitte der Menschheit zu wandern, und in deren eigener Mitte
sich das Gute oft nur in den Schoß einer Minorität zum lebendigsten Bewußtsein
gebracht. … Wo aber Gott nicht verzweifelt, muß auch der Mensch mutig ausharren
und das Seinige thun und unerschlafft und siegessicher für das Gute, selbst
einer ganz irre gehenden Zeitgenossenschaft gegenüber einstehen, sollte dieser
Sieg des Guten auch erst andämmern, wenn über sein Haupt längst sich das Grab
geschlossen.– So sehr wir עפר
und אפר sind, aus Staub gebildet und in
Asche zerfallend, so ist doch nicht alles an und Staub und Asche. In diesem
Staub- und Aschenleib lebt ein Hauch seines ewigen Schöpfers und ein Echo
seines Geistes. Humanität und Recht und alle geistigen und sittlichen Güter der
Menschheit sind durch dieses göttliche Echo in jedes Menschen Brust verbrieft
und über alle Staub- und Aschenlehren materialistischer Weisheit hinaus
gesichert.
Kap 19 V.14
Da ging Lot hinaus und redete zu seinen
Schwiegersöhnen, die seine Töchter geheiratet hatten, und sprach: Machet euch
auf und gehet aus dieser Gegend hinaus, denn Gott vernichtet die Stadt! Da war
er wie ein Spaßmacher in den Augen seiner Schwiegersöhne.
Kap. 19 V.
14 Da geht nun der alte Mann in der
Nacht hinaus zu seinen Schwiegersöhnen, zu den Männern, denen er seine Kinder
anvertraut, bittet, beschwört sie, sich und sie zu retten – da lachen sie den
alten Mann wie ein Spaßmacher aus!– Es
steht hier nicht umsonst לוקחי בנתיו
als Berechtigung des חתניו.
Seine Töchter hatten sie genommen, aber seine „Eidamme“, in dem reinen Sinne „חתניו“ waren sie nicht geworden. Waren ja Männer
von Sodom, gab ja in Lebensanschauung und Streben kein „Band“ zwischen ihnen
und Abrahams Neffen. Für einen solchen gab es in Sodom keinen Eidam, und für
seine Töchter, wenn er es verstanden hätte, seine Kinder für sich und seine
Lebensrichtung zu gewinnen, gab es dort keine Männer. Allein, es war schon von
V. 3 angedeutet, wie der Mann der persönlich einer besseren Richtung angehörte
und sogar den Mut hatte, in der Gemeinde mit eigener Gefahr das Bessere zu vertreten, doch in seinem Hause, und
seinen eigenen Kinder gegenüber, nur schwach, und darum isoliert war. Ein
Abraham hätte sich nimmer mit לקחי בנתיו
begnügt, die nicht חתניו
werden konnten, Abrahams Töchter hätten solche Männer nimmer genommen, die dem
Geiste ihres väterlichen Hauses sich nicht vermählten. Es offenbart sich hier
eine Schwäche, der sich noch nach Jahrtausenden in ähnlicher Weise unter
ähnlichen Verhältnissen wiederfindet, und in ähnlicher Weise rächt – als er zu
seinen Schwiegersöhnen kam und von Gott sprach lachten sie ich aus! Und er
hatte noch eher Gehör und Rücksicht erwartet, als bei den eigenen Söhnen! Er
machte den Versuch zuerst bei den Schwiegersöhnen, und als diese ihn auslacht,
gibt er alles auf und versucht nicht einmal bei den Söhnen!! Zu allem diesen liefert noch das
frische Leben der Gegenwart leider einen traurigen Kommentar. –
V.7 Und
nun, gieb des Mannes Weib zurück, denn er ist ein Prophet, so daß der für dich
bete und du leben bleibest. Giebst du aber nicht zurück, so wisse, daß du
sterben müssest, du und alle Deinigen.
V.7… התפלל heißt: das Element der göttlichen Wahrheit
nehmen, damit uns die in Gott zu gewinnende Einheit des ganzen Daseins
erringen. Die jüdische תפילה
ist daher der vollendete Gegensatz zu dem was man sonst „Gebet“ nennt. Es ist
nicht ein Erguß von innen heraus, ein Ausdruck dessen, wovon bereits das Herz
voll ist, dafür haben wir andere Ausdrücke תחנה , שיח u.s.w., sondern es ist ein erneutes Aufnehmen und Durchdringen
mit Wahrheiten, die von außen gegeben sind. Wäre das Gebet nicht תפילה, wäre beten nicht התפלל, eine Arbeit an dem eignen inneren Selbst, es auf die Höhe der
Wahrheitserkenntnis und der gottdienenden Entschlüsse zu bringen, es wäre ja
ein Unsinn, bestimmte Zeiten und vorgeschriebene Formeln zu haben; es setzte
dies ja voraus, es sei periodisch zu bestimmten Zeiten immer die Menge einer
Gesamtheit von einem und demselben Gefühle, von einem und demselben Gedanken
erfüllt. Ja, es wäre ein solches Gebet ein ziemlich überflüssiges Werk. Gefühle
und Gedanken, die bereits in uns lebendig vorhanden sind, bedürfen nicht erst
des Ausdrucks, am allerwenigsten des vorgebildet in die Hand gegebenen
Ausdrucks. Dem vollen Herzen hat noch nie der Ausdruck gefehlt, oder es war so
voll, daß der Ausdruck selbst die Fülle nur geschmälert hätte und Schweigen der
entsprechendste Ausdruck dieser Fülle war. Unsere vorgeschriebenen Gebete sind
daher nicht Wahrheiten, deren lebendige Anerkennung sie bei uns bereits
voraussetzen, sondern deren Erkenntnis und Anerkenntnis sie immer aufs neue in
uns wecken, beleben, befestigen und erhalten wollen; und man kann in Wahrheit
sagen, je weniger wir uns zum Gebete gestimmt fühlen, um so größer müsse das
Bedürfnis zu beten sein, um so wichtiger und rettender ist die Arbeit an uns,
die wir in der תפילה an uns zu vollbringen haben. Die
mangelnde Stimmung selbst ist das deutlichste Merkmal von der Bedeutung jenes
Gesetzes und jener Wahrheit in uns, den die תפלה nicht voraussetzt, den sie vielmehr schaffen, beleben und
berichtigen soll – . …
Kap.21 V.6 Da sagte Sarah: Gelächter hat Gott mir bereitet, wer es
höret, lachet mein.
Kap. 21, V.
6 יצחק klingt wie ein Kompositum von
Kal und Piel. צחק Kal ist das natürliche,
unwillkürliche, Lachen, dessen wir uns beim Anblick einer Lächerlichkeit kaum
enthalten können. צחק
im Piel ist das willkürliche, spottende Lachen, das die Inkonsequenz zwischen
der Absicht und den Thun, zwischen dem Wollen und Vollbringen, u.ä. verhöhnt.
Möglich, daß hier schon diese ironische Seite des Lachens mit hineingezogen
ist. Die Welt kannte ja die „Prätention“ mit welcher Abraham und Sara, diese
zwei einzelnen, wider den Strom der Zeit zu schwimmen wagten, ja, mit welcher
sie sich die Hoffnung zu nähren
erkühnten, diesen ganzen mächtigen Strom noch einst wieder zurück in ein
anderes Bette zu leiten! Und nun noch gar diese ganze, schon an und für sich so
lächerliche Prätention auf ein spätes, zartes Reis zu pfropfen! – Ein Stoß und
die ganze Hoffnung ist auf ewig in ihrem ersten Anfang begraben! Wollen wir es
den Zeitgenossen verdenken, wenn sie an der Wiege des jüdischen Volkes sich
eines spöttischen Lächelns nicht erwehrten, da dem, Gott nicht in die
Berechnung der Ereignisse und der Gänge der Zeiten mit Hineinziehenden, die
welthistorischen Prätentionen des welthistorischen Judenvolkes noch heute zum
Gespötte sind? Auf diese Stellung sind wir von vornherein hingewiesen, der
erste Abrahamssohn ward יצחק
genannt und wird so lange also genannt werden, bis alle die nur auf Gottes
Waltung und Gottes Verheißung gegründeten Hoffnungen sich erfüllen, dann: אז ימלא שחוק פינו, dann wird unser Mund der
zuletzt lachende sein – heißt ja: יצחק: er wird lachen! – und dieses Lachen wird sein צחוק – wird mild hauchende Lächeln der Freude –
שחוק sein …