woensdag 17 april 2024

„Gehe zum Frieden“



Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 – 1900)

   Auszug aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes TAZRIA

 

V.19 Nicht „gehe in Frieden“ sondern zu Frieden, dem Frieden entgegen. Nach dem tiefen Worte der Weisen ist doch das ganze richtig in seine Aufgabe erfaßte und in deren Lösung verbrachte Leben  der Weg zum Frieden. Ist des Lebens Vollendung erreicht, ist der Mensch an einen solchen  lebensvollen Lebens Ziele angelangt, dann erst geht er in den Frieden ein, den ewigen Frieden.

 

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 204-208 Kommentar zu Könige II  Kap. 4  V.19) 

 

maandag 8 april 2024

Rabbiner Dr. Salomon BREUER Belehrung und Mahnung zur Wochenabschnitt TAZRIA (Auszug)


Rabbiner Dr. Salomon BREUER

                (1850 – 1926)

 

תזריע

 

Belehrung und Mahnung  zur Wochenabschnitt

 TAZRIA (Auszug)

 

Mit der Mila wurde Abraham Jude. Er vollzog sie im Zeichen des denkbar größten Kidusch Haschem. Denn Jude sein heißt, den Mut zum Kidusch Haschem zu besitzen, die Forderungen des jüdischen Pflichtlebens ונקדשתי בתוך בני ישראל in lautester Öffentlichkeit zu verwirklichen, auf den Beifall und die Zustimmung der Menge verzichten, auch den Hohn und die Verlästerung nicht zu scheuen,  die dem Juden in öffentlichen Leben gar oft begegnen. Solche מקדש שם שמים- Juden haben wir leider nicht viele, dafür gottlob noch recht viele, die freilich בשתיקה, wenn sie vor „fremden Augen“ sich sicher wissen, ihren jüdischen Pflichten nachkommen. Und doch hat es unser Stammvater uns anders gelehrt, als er den „Orden“ der Mila aus Gottes Hand für sich und seine späteste Kinder empfing. Wohl wußte er, daß dieser Akt, der ihn und sein Haus fortan in den entschiedensten Gegensatz zu den Anschauungen einer großen Welt setzte, bei ihr nur Spott und Gelächter auslösen mußte. Er aber vollzog die Mila nicht im Schutz der Nacht – בעצם היום הזה und wenn die Mila nach Gottes Willen auch am Tage vollzogen werden mußte, was hätte Abraham gehindert, wenn er die Vornahme dieses Aufsehen erregenden Aktes bei seinen Hausgenossen auf eine Reihe von Tage verteilt hätte, um so weit wie möglich peinliches Aufsehen zu vermeiden – er aber vollzog die Mila seines ganzes Hauses; zu dem 318 Genossen zählten, an einem Tag, scheut den mächtigen Orloh-Hügel nicht, der vor den Augen einer großen Welt sich türmt und auf den die „Sonne scheint“ – Gott aber bleibt dieser große, stolze Akt unvergessen, mit dem unser Stammvater unter den Augen einer lautesten Öffentlichkeit Jude wurde und von dem noch späte Enkel sich die Mahnung holen mögen, wozu die Mila d.h. die Zugehörigkeit zum Gottesbund sie verpflichtet.

Aus dem Geiste des בעצם היום הזה ist es zu verstehen, daß für die Weisen Abraham bei der Ausführung der Mila nicht nur die Öffentlichkeit nicht scheute, sie nicht mit dieser Tat überraschte, sondern ihr vorher Mitteilung machte und, wie sie es so sinnig darstellen, seine Freunde zu einer „Mila-Konferenz“ einlud.  Die Ansichten aber, die er da äußern hörte, sind ungemein bezeichnend; sie begegnen uns bis auf den heutigen Tag und erklären vielfach unser Verfahren gegenüber den Forderungen der jüdischen Pflicht.

Oner verweist auf Abrahams Alter – zu hundert Jahren eine solch  tief eischneidende Maßnahme! Das ist die Sprache der Gewohnheit. Und in der Tat wohnt in der Gewohnheit eine ungeheure Macht inne, sie beherrscht den Verstand, und die beste Überzeugung muß sich gar oft ihr beugen. Wen die Schritte, statt ins Bethamidrasch, täglich ins Kaffeehaus lenken, wird von dieser Gewohnheit auch am Schabbos nicht lassen, wiewohl den Verstand ihn vor der עברות warnt, die dort auf ihn lauern; wer jahraus, jahrein gewohnt ist, während אנעים זמירות sein טלית abzulegen und aus dem בית הכנסת zu laufen, wird nur Schwer davon lassen, auch wenn Verstand und Nachdenklichkeit ihm das Unstatthafte seines Verhaltens nahelegen; und wem es einmal zur Gewohnheit geworden ist, die laute שמנה עשרה oder קריאת התורה für den geeigneten Augenblick zu halten, um den Nachbar zu begrüßen und mit ihm in שיחת חולין, in Geschwätz sich zu ergehen, der wird von dieser traurigen Unsitte nur schwer lassen, auch wenn sein Verstand das entschiedene Verbot längst begriffen und natürliches Anstandsgefühl sich gegen dieses die Heiligkeit unserer Andachtsstätte schändende Verhalten  von selber kehrt! Und doch hegen wir die zuversichtliche Erwartung, daß es der eindringlichen Mahnung des דין doch schließlich gelingen wird, seine Forderung Anerkennung zu verschaffen. Hat unser sabbatlicher מי שברך an diese unfaßbare Unsitte gedacht, wenn er den Segen herabfleht auf die מי שמיחדים בתי כנסיות לתפלה ומי שבאים בתוכם להתפלל? Sollte man doch meinen, daß, wenn Synagogen erbaut werden, sie selbstverständlich für die תפלה bestimmt sind, und wenn man hineingeht, man sie aufsucht, um dort zu beten. Und doch erfleht unser מי שברך den Segen bedeutsam und mit unverkennbaren Nachdruck auf das Haupt derer, die das בית הכנסת für die תפלה bestimmen und nicht für müßige Unterhaltung, und die hineingehen להתפלל, um ihre תפלה zu verrichten und nicht die geweihte Stätte durch שיחת חולין zu entweihen! Wer aber unter uns möchte nicht des Segens teilhaftig werden, daß Gottes Segen komme über unsere Frauen, über unsere Söhne und unsere Töchter הוא יברך את כל הקהל הקדוש הזה הם ונשיהם ובניהם ובנותיהם!

In Oner hat die Macht der Gewohnheit ihren trefflichen Anwalt gefunden: zu hundert Jahren geht man nicht neue Wege. Von besonderer Bedeutung schien den Weisen Eschkols Verhalten. Sahen sie sich doch zu folgendem  Ausspruch veranlaßt: מגיד מראשית אחרים שהכל צפוי היה לפני הקב"ה, אשכל אוהבו של אברהם היה ונקרא אשכל על אודות האשכול שעתידין ישראל לכרות ממקומו „Gott kündet Künftiges von Anfang an: Eschkol hieß der Freund Abrahams, er hieß so nach der Traube (אשכול), die einst die Kundschafter im Tale schneiden sollen.“

Irren wir nicht, so wollen sie uns damit sagen: Das Verhalten der Kundschafter gegenüber dem Gotteswillen hat schon in Abrahams Tage Vertreter gefunden, nur daß Abraham solchen Einflüssen gegenüber stark geblieben, keinen Augenblick  im Zweifel war, was die Pflicht von ihm forderte. Denn Eshkol erinnert an die Feindschaft, die sich Abraham durch Vornahme der Mila zuziehen müsse, die ihn von seiner Umwelt fortan scheide – und wenn Abraham die Mila vorzunehmen durchaus gewillt war, so wird Eschkol wohl für eine Vornahme in aller Stille plädiert haben, um nach Möglichkeit jedes Aufsehen zu vermeiden. Das ist dieselbe feige, erbärmliche Gesinnung, die die Kundschafter erfüllte, die sich trotz des Gottesschutzes einer feindlich gesinnten Welt gegenüber ohnmächtig fühlt und die Kraft nicht kennt, mit der das Bewußtsein, dem Gotteswillen zu entsprechen, die jüdische Seele zu erfüllen hat – mit dieser Gesinnung haben sie die Traube in Eschkols Tal  gepflückt.

Von allen Freunde stimmte nur Mamre dem Vorhaben Abrahams zu. Doch nicht das Für und Wider der öffentliche Meinung hat auf Abrahams Entschluß Einfluß ausgeübt; er war viel mehr von Anfang an entschlossen, in vollem Bewußtsein der herrschenden Meinungen, mit denen die große Welt seinen Schritt begleitete, und in lautester Öffentlichkeit sich und sein Haus  dem göttlichen Lebensbund zu weihen.

Wie aber die Mila von ihren Trägern Kidusch haschem fordert, weil sie von ihnen in keinem Augenblick des Lebens verleugnet werden darf, so begleitet sie den Juden bei jedem Schritt seines Lebens, will jede Gedankenregung und jeden Willensvorsatz unter die  Herrschaft des Gotteswillens stellen und seinem Leben durch innige Vermählung mit Gottes Nähe zur höchsten Vollendung verhelfen. Das sollte Abraham erfahren, als er, mit dem frischen Bundeszeichen am Leibe nach Wanderern ausspähend, an dessen er Gastfreundschaft ausüben könne, der Schechinanähe Gottes teilhaftig wurde. Er will sich vor der Schechina erheben und wird veranlaßt, sich in seiner Liebesbetätigung an Menschen nicht zu stören – denn Gott weilt dort, wo Menschen Seinen Willen betätigen. Und wenn Jissroél in seinen Bet- und Lehrhäusern sitzend weilt, weilt Gottes Schechina über ihnen, denn keine größere Huldigung kennt Gott, als wenn das Leben des Menschen zu einer Offenbarung des Gotteswillens sich  gestaltet. Das aber ist der Fall, wenn göttliches Milazeichen uns mahnend dazu bringt, „vor Gott zu wandeln und nach Vollendung zu ringen“. Vollendung aber winkt dem Leben, wenn es in keinem Augenblick die Mila verleugnet.

וביום השמיני ימול בשר ערלתו Die Mila weiht ihre Träger dem Schabbos, denn Gottes Herrschaftswille soll in ihm einen rüstigen, treuen Vollstrecker finden. Dieser Gotteswille umfaßt aber nicht nur das Einzelleben, er will auch das Gemeinschaftsleben im Zeichen des Rechts und der Liebe aufbauen. Vor seiner Nähr sollen Haß, Bösrede und Verleumdung, sollen die unheimlichen Mächte weichen, die das soziale Leben vergiften und ihm die Segnungen des Friedens rauben.

Wer die Mila in Wahrheit trägt, den braucht der Gottesfinger nicht strafend mit Negaim zu berühren, mit denen Gott den zu treffen weiß, der die sozialen Forderungen des jüdischen Lebens verleugnet.

Er muß die Mila als stolzer Enkel unseres Stammvaters tragen, der die Mila in lautester Öffentlichkeit vollzogen und im Anblick einer großen Welt bei jedem Schritt seines von Gottesrecht und Gottesliebe erfüllten Lebens verwirklicht hat.

Mit Recht ruft daher der Weise aus: Wie groß ist doch die Mila, sie vermag Negaim  zu verdrängen!

 

Quelle: Rabbiner Dr. Salomon BREUER  Belehrung und Mahnung   dritter Teil Leviticus J.Kaufmann Verlag Frankfurt am Main 1935 S. 20-26

 

zondag 7 april 2024

Informed Comment by Yakov Rabkin


The Story of Arab-Jews Instills Hope

 

Yakov Rabkin  06.04.2024 Informed Comment

 

Reflections on Avi Shlaim, Three Worlds : Memoirs of an Arab-Jew, London: Oneworld, 2023, 324 pp.

Growing up in Israel and serving in its military, Avi naturally imbibed nationalist myths and became an almost typical right-wing Mizrahi. He deftly depicts his personal evolution from a self-righteous partisan of Zionist ethnocracy to a thoughtful proponent of a democratic state for all the inhabitants between the River Jordan and the Mediterranean. Moreover, the author hopes that the collective memory of the centuries-long Arab-Jewish social and cultural integration should enable such a project to come true. In this case, the heritage of Iraqi, Moroccan and other non-European Jews will be not only rehabilitated, but also put to good use to build a peaceful future.

It is hard to share this hope after months of unprecedented violence that has left tens of thousands dead and wounded. Yet, colonial regimes often become particularly violent before their demise. The Zionist ethnocracy, however unique, may face the same fate and open the way to a more equitable and therefore more humane political and social entity.

Full Reading:

https://yakovrabkin.ca/israel-and-zionism/the-story-of-arab-jews-instills-hope/

 

woensdag 3 april 2024

Parsha Pearls: Parshas Shemini

 Making Fun of Avodah Zarah
Dead Ideologies and Live Ideologies

Yet among the Orthodox, Zionism is on the rise. The religious parties and the chareidi newspapers are the most hawkish opponents of land concessions. The West Bank settlers are mostly religious. The hesder yeshiva units are the most motivated soldiers in the army. Even as secular Israelis vacation in every part of the world except their own country, Orthodox Jews in America and other countries make the State of Israel their destination of choice – for vacation as well as education. Even as the Israelis leave their country in droves, the religious organizations are drumming up support for aliyah. It is this chareidi Zionism that is the “live” idolatry of our times – and the speakers are silent.

To compound the problem, people play the name game. Zionism is defined as secular Zionism, so that everyone who is pro-Torah is automatically defined as anti-Zionist and could not possibly be accused of promoting Zionism. “The State of Israel” is replaced by the innocent sounding “Eretz Yisroel,” a place where Jews live and are in danger. Strengthening the army and praying for its success are portrayed as nothing more than concern for Jewish lives.

In such a time of confusion, we need to show our rabbanim and gedolim that we are ready to hear from them the truth. In the words of the Navi, we are “not hungry for bread, nor thirsty for water, but to hear the words of Hashem.”

https://torahjews.org/2023/11/26/parsha-pearls-parshas-shemini/

 Tags: KOOK,

dinsdag 2 april 2024

Rabbiner Samson Raphael HIRSCH Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Schemini

 


Rabbiner Samson Raphael HIRSCH

                            (1808-1888)

 

SCHEMINI-  שמיני

 

Kap.9 V.1 Und es war am achten Tage, da hatte Mosche Aharon und seine Söhne und die Ältesten Jissroéls gerufen.

Kap.9 V.1 ויהי ביום השמיני Wir haben bereits in Jeschurun, Jahrgang V, S. 14 f. im Artikel מילה die Bedeutung eines achten Tages nach zurückgelegten sieben Tage erläutert.  Wir sagten uns, daß durch ein solches Zählen von sieben Tagen ein bisheriger Zustand völlig abgeschlossen wird, und mit  dem achten Tage ein neuer Anfang und zwar auf  erhöhter Stufe, gleichsam die „Oktave“ beginnt. Auch hier ist mit den vor dem Eingang zum Heiligtum zugebrachten sieben Tagen der Zustand bloß individueller privater Lebensbedeutung der zum Priesterdienst Bestimmten abgeschlossen, und mit dem achten Tage treten sie in den neuen, erhöhten Charakter einer Gott und der Nation hörigen Lebensweihe ein.

 VV 3 u. 4 Und zu Jissroéls Söhne sprich: Nehmet einen Ziegenbock zum Entzündigungsopfer und ein Kalb und ein Schaf, einjährig, in ihrer Ganzheit, zum Emporopfer.

4. Und einen Ochsen und einen Widder zum Friedensopfer, Mahlopfer vor Gott zu vollziehen, und eine mit Öl durchrührte Hüldigungsgabe; denn heute erscheint euch Gott.

 VV 3 u. 4 Das Opfer der Nation bildet zwei Gruppen: שעיר לחטאת ועגל וכבש לעולה und שור ואיל לשלמים ומנחה בלולה בשמן; jene: Ausdruck ihrer Stellung gegen Gott, diese: ihre Stellung als Volk in Mitte der Völker. Gott gegenüber gelobt die Nation mit demשעיר עזים לחטאת , starr gegen jede Verlockung durch Fremde, folgsam und treu auf dem Standpunkt auszuharren, den ihr ihr einziger Lebenshirte angewiesen; und mit dem עגל וכבש בני שנה לעולה  in ewiger Jugendfrische und jugendlicher Leitsamkeit mit ihrem Tatenleben und Geschickesdasein sich mit voller männlichen Energie der Emporführung des einzigen Leiters ihrer Taten und Lenkers ihrer Geschicke zu dem in seinem Gesetze gezeichneten Höheziele hinzugeben. Mit dem שור ואיל לשלמים לזבח לפני ד' spricht sie aber froh und freudig die mit jener treuen Festigkeit und energievollen Hingebung in Mitte der Völker zum gewinnende bedeutsame Stellung aus. Das ewig jugendliche עגל vor Gott wird zum männlichen שור mit dem Wirken seines Tatenlebens den Völker gegenüber, und das seinem einzigen Hirten folgende כבש zu dem in Vollkraft der Völkerherde wegweisend voranschreitenden איל. Dieser freudig beglückenden Seite des jüdischen volkgeschichtlichen Berufes wird Jissroél sich im Nationalfriedensmahl vor Gott froh bewusst, und legt in מנחה בלולה בשמן, in seinem mit ‚Öl getränkten Mehle“, mit dem Zeichen seiner von Ihm mit Wohlstand gesegneten Existenz, den Tribut der  Huldigung auf den Altar seines Gesetzes nieder. … ….

Steht auch diese Volksopfer in einer Beziehung zu der עגל- Verirrung, so gelobt das Volk mit dem שעיר עזים im חטאת fortan sich nie wieder von einem ערב רב zum       Abfall von Gott und seinem Gesetze verleiten zu lassen, vollzieht im -עגל Opfer des עולה und im שור des שלמים wie bereits bei Aharons Opfer (V.2) angedeutet, direkt die Sühne der Verirrung des עגל, das, wie in ת"כ z.St. bemerkt, dem Volke nicht nur עגל nach der Absicht Aharons geblieben war sondern zum selbständigen שור erhaben worden, und gelobt  in כבש des עולה und im איל des שלמים, sein ferners Geschick in voller Hingebung zu Gott, seinem einzigen „Hirten“, für alle Gänge durch die Zeiten anheim zu geben, und in dieser selbstlosen Hingebung, als  Führer der Menschenherde zu Gott, männlich und kraftfroh voranzuschreiten und sein „Mehl und sein Öl“, seine Existenz und sein Wohlbefinden, keinem anderen als Gott, dem einen Einzigen,  unvermittelt und ausschließlich huldigend verdanken zu wollen.

 Kap. 10, V.1 Da nahmen Aharons Söhne, Nadab und Abihu, jeder seine Pfanne, gaben Feuer in sie und legten darauf Räucherwerk; und brachten vor Gott fremdes Feuer nahe, das Er ihnen nicht geboten hatte.

 

Kap. 10, V.1 … קטרת war das einzige Opfer, das nie, weder von der Gesamtheit, noch vom einzelnen als נדבה dargebracht werden dürfte, dessen Darbringung vielmehr ausschließlich auf das, der Gesamtheit täglich und dem כה"ג am י"כ, Vorgeschriebene beschränkt bleiben sollte (Menachoth 50a.b.). Glauben wir doch im קטרת den Ausdruck des gänzlichen Aufgehens in Gottes Wohlgefallen, des gänzlichen Aufgehens in ריח ניחוח לד' erkennen zu dürfen (siehe 2 B.M. 30 f. und 34 f.), ein Gedanke, der als von Gott vorgestecktes Ziel das Ideal seiner Anforderungen vergegenwärtigt, der aber aus eigener Wahl zum Ausdruck gebracht, als נדבה, die höchste Anmaßung in sich schlösse. Mehr als alles andere hebt aber das göttliche Wort an dieser so verhängnisvollen Darbringung hervor. אשר לא צוה אותם daß Gott sie ihnen nicht gebeten hatte. Wären die einzelnen Momente des Opfers selbst nicht, wie wir gesehen, verboten gewesen, es genügte, daß es ein nicht gebotenes war, um es zu einem verbotenen zu machen. In dem ganzen Opferdienst des Gesetzheiligtums ist dem subjektiven Beliebe, kein Raum gestattet. Selbst die קרבנות נדבה, die  freiwilligen Opfer,  haben sich mit Entschiedenheit innerhalb der dafür vorgeschriebenen Grenzen und Formen zu halten. Denn קרבת אלקים, Gottes Nähe und Annährung zu Gott, die mit jedem קרבן gesucht wird, ist nur auf dem Wege des Gehorchens, des Eingehens, in den göttlichen Willen und der Unterordnung unter denselben zu finden. Es ist dies eben ein Punkt, in welchem Judentum und Heidentum bis zu vollendetem Gegensatz auseinander gehen. Das Heidentum sucht mit seinem Opfer die Gottheit sich der Erreichung seiner Wünsche dienstbar zu machen. Das jüdische Opfer will mit dem Opfer den Opfernden in den Dienst Gottes stellen, will ihn mit seinem Opfer der Erfüllung der göttlichen Wünsche dienstbar machen. Alle Opfer sind daher Formeln göttlicher Anforderungen, die der Opfernde mit seinem Opfer zum Normativ seines künftigen Verhaltens macht. Selbstersonnene Opfer wären daher eine Tötung der Wahrheit, die eben durch Opfer Herrschaft über den Menschen gewinnen soll, diesen eben willkürlichen Subjektivismus als den Stuhl der Herrlichkeit zurechtstellen wo Gehorsam und nur Gehorsam einen Thron erbaut finden soll. Wir begreifen den Tod der Priesterjünglinge, und ihr Sterben im ersten Weihemomente des Gottesheiligtums ist für alle künftigen Priester dieses Heiligtums die ernsteste Warnung, schließt von den Räumen des Gottesheiligtums, das ja nichts anderes als das Heiligtum seines Gesetzes sein soll, jede Willkür und jedes subjektive Belieben aus! Nicht durch Erfindungen gottesdienstlicher Novitäten, durch Zurgeltungbringung des göttlich Vorgeschriebenen hat der jüdische Priester seine Wirksamkeit zu bewähren.

maandag 1 april 2024

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Schemini

 


Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 – 1900)

 

הפטרת פרשת שמיני

 

Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Schemini

Samuel II, Kap. 6, Vers 1 und folgende

Die  Geschichte der Einweihung des Zusammenkunftsbestimmungszeltes unter der sichtbaren Bekundung der Gottesnähe in Jissroél fügt das Prophetenwort der Haftora die Erzählung des ersten Einzuges der Bundeslade Gottes in Jerusalem an. Ein Moment der einen tiefen Einblick und einen weiten Ausblick in die jüdische Geschichte eröffnet. Das Zelt, das an jenem „achten“ Tage zum achten „Male von Moses errichtet worden war, befand sich noch in Gibeon. Ein von David in der Davidstadt provisorisch errichtetes Zelt harrte vor der Bundeslade. Siegreich war aus dem Philistäerlande die nunmehr in Jerusalem einziehende Bundeslade heimgekehrt, nachdem sie von Schiloh aus, da Jissroél sich des Gottesschutzes unwürdig gezeigt hatte, in Feindes Hand gefallen war. In den Trümmern des Götzen und in den Heimsuchungen der Feinde hatte sich die Hoheit des von ihr umschlossenen Wortes und die Allmacht der Gotteshand den zitternden Philistäern offenbart. Der Freiheit wiedergegeben, hatte sie ohne Menschen-Zutun ihren Weg zurückgenommen in das jüdische Land. Nach vorübergehendem Weilen in Beth-Schemesch hatte sie Stätte gefunden in dem mit dem hier genannten Baale Jehuda identischen Kirjath Jearim (Sam.I. 6,20 f. 7,1). Die Wirkenszeit des hehren Samuel, die Regierung Sauls lagen zurück, die auf seinen Tod folgenden Erschütterungen hatten ihre Ende erreicht, und nach außen herrschte tiefste Ruhe: „Gott hatte die Furcht vor ihm auf alle Völker gegeben“ (Chron. I. 14,17), als David den Entschluß fasste, die Bundeslade in der Davidstadt zu überführen, wo er für sie ein Zelt aufgeschlagen hatte. – Doch nicht ohne ernste Mahnung an die Hoheit des Gesetzes sollte die Überführung nach Jerusalem erfolgen. So wie der Tod der beiden Priesterjünglinge am ersten Einweihungstage die ewige Mahnung sein sollte, daß nur Gehorsam und kein Priesterwillkür, auch nicht in bester, Gott dienender Absicht, so vergegenwärtigte die selbige Hoheit die Leiche Usa’s, der in einem Augenblick der Selbstvergessenheit gewähnt hatte, die Lade halten zu müssen, und, wenn auch in guter Absicht, die Ehrfurcht vor Dem verletzt hatte, dessen Wort die Lade barg. Sein Tod hatte das בקרובי אקדש (3 B.M. 9,3) David in furchtbarer Eindringlichkeit in die Seele gerufen. Niemand war weiter als er von jeglicher Selbstüberschätzung entfernt. Er  zagte, er zweifelte an seiner Würdigkeit. Er hatte um so mehr Grund zu zagen, als ja der Entschluß, die Bundeslade in „die Davidstadt“ zu bringen, seiner eigenen Initiative entsprungen und nicht etwa die Ausführung eines ihm gewordenen göttlichen Auftrages. Erst der in dem Gedeihen Obed Edoms sich zeigenden Gottessegen beruhigte ihn. Hatte er ja doch auch schon durch sein vorhergehendes Zagen es an den Tag gelegt, wie sehr er von dem Gefühle der Verantwortung durchdrungen sei, die die Nähe der Bundeslade ihrer Umgebung bringe. Dieses Bewußstein, daß er nur erster und verantwortlicher Diener dieses Gesetzes sein daß er seine Königsmacht nur für dessen Verwirklichung einzusetzen und seine Würde nur in der Erfüllung dieser Aufgabe zu finden habe, tritt in seiner ganzen Haltung bei der Überführung hervor.  Gerade was Michal, der stolzen Königstochter, mißfiel, gerade das gab ihm das Gepräge des jüdischen Königs nach dem Idealbilde des Königsgesetzes (5 B.M. 17,14 ff.) In diesem Sinne hatte er das kleine Ephod angelegt, als Wehr und Waffen des jüdischen Königs, es war die Rüstung für die Verwirklichung des Gottesgesetzes, es war das Gelöbnis, alle seine Kräfte in den Dienst dieser Aufgabe zu stellen. Dasselbe Gelöbnis sprach die ganze Reihe der nach jeder Zurücklegung von sechs Schritten auf dem ganzen Wege sich wiederholenden Opfer aus, die Weihe der Tatkraft (שור) und die vertrauensvolle Geschickeshingebung an die Gottesführung (מריא). Auch daß diese Gelübde gerade nach  jeder Sechszahl von Schritten im Thatsymbol ausgesprochen wurde, ist nicht bedeutungslos. (Vergl. Über die Bedeutung der Sechs- und Siebenzahl in der Symbolsprache des Gottesgesetzes: Grundlinien einer jüdischen Symbolik, Jeschurun: V. S.18ff.)

Derselbe tiefe Ernst spricht auch in dem Unterschiede aus, der den Zug von dem Hause Obed Edoms nach Jerusalem von demjenigen aus Kirjiath Jearim bis nach Perez Usa charakteristisch scheidet. An die Stelle des משחקים (V.5) war תרועה, an die Stelle der Pauken und Schellen (V.5) war der Schofar, der den ernsten Gottesruf an Jissroél zur ewigen Sinaihöhe seiner Jissroélbestimmung vergegenwärtigende Schofarruf getreten. Nur auf den Boden dieses Ernstes und dieser tiefen gottesfürchtigen Erregung quoll jenes beglückenden Hochgefühl und jene Freude, die in dem von David ausgesagten מפזז ומכרכר ihren Ausdruck fand. Aus dem ausführlicheren Bericht in Chron. I, 15 11-16 tritt der Unterschied noch mehr hervor. Die Stammeshäupter der Priester und Leviten werden von David berufen, ויתקדשו, heiß es daselbst, sie hatten sich auf dem großen Moment vorzubereiten. Dann erst „trugen die Söhne der Leviten die Lade Gottes, so wie es Moses nach dem Worte Gottes geboten hatte, auf ihrer Schulter an den Stangen, die auf ihnen ruhten“. Nachdem sodann die ganze Ordnung des Zuges beschrieben, die in ihre Ordnungen als Sänger, Musiker und Wächter eingeteilten Levitenfamilien und unter diesen auch der Levite Obed-Edom an der ihm gebührende Stelle, und die Priester mit den Posaunen voranschreitend, heißt es am Schlusse V.28, da die innige Beteiligung des ganzen Volkes hervorgehoben und die Klänge des Festjubels nach den Instrumenten zusammenfassend geschildert werden, zuerst und vor allem: „Ganz Jissroél führte die Lade des Gottesbundes בתרועה ובקול שופר in tiefer Erregung und Schofartöne hinauf“, und dann wird der Posaunen und der anderen Instrumenten gedacht. –

Den weiteren Ausblick in die ferne Zukunft eröffnet sodann die David in Veranlassung des von ihm beabsichtigten Tempelbaus gegebene Zusicherung der bis in die Ewigkeit reichenden Erhaltung und Bedeutung seines Hauses.

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 196 -197  Kommentar zu Samuel II Kap. 6 V.1…) 

„Gehe zum Frieden“

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH               (1833 – 1900)    Auszug aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes TAZRIA   V.19...