vrijdag 3 februari 2023

„Krieg für Gott wider Amalek von Geschlecht zu Geschlecht“. Kommentar S.R. HIRSCH


Rabbiner Samson Raphael HIRSCH

                              (1808-1888)

 

בשלח

 

Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Beschalach

 

Kap. 16 V 29 Sehet, daß Gott euch den Sabbat gegeben hat, darum gibt Er euch am sechsten Tage Brot für zwei Tage. Bleibet jeder wo er ist, keiner gehe aus seinem Orte am siebenten Tage!

 V.29…Es dürfte nicht überflüssig erscheinen, hier anzumerken, durch das Verbot welcher Werktätigkeit hier der Sabbat sofort bei seiner ersten Einführung in das Leben des jüdischen Volkes charakterisiert ist. Allen denen gegenüber, die unsrem Volke den Sabbat zu stehlen und uns zu bereden versuchen, unter dem לא תעשה כל מלאכה der „Zehngebote“ sei nur schwere, mit körperlicher Anstrengung verbundene Arbeit verstanden, sei hier darauf hingewiesen, wie gleich bei erster Begründung des Sabbats ausdrücklich das Aussuchen der Nahrung, Kochen und Backen überhaupt Bereiten des täglichen Mahles, Aus- und Einbringen aus dem freien allgemeinen Raum in den privaten und umgekehrt, oder auch das Verlassen des Wohnortsrayons verboten ist. Alles Tätigkeiten, die die Herren von der Sabbatreform als nicht „der Heiligkeit des Sabbats widerstehend“ erklären möchten. Dabei bedenke man, daß es sich nur um das Auflesen der fertig daliegende Nahrung handelte und sehr wahrscheinlich das ganze Geschäft des Mannalesens innerhalb einer, höchstens zweier Stunden zu vollbringen war und vollbracht werden mußte, somit der ganze übrige Teil des Tages für sogenannte Gottesdienst mit obligatem Chor und Predigt völlig frei geblieben wäre, und doch ist das einfache Mannaauflesen Sabbatentweihung“!

…Es ist aber überhaupt nicht zu übersehen, wie der Begriff שבתון, welcher hier an der Spitze aller Bestimmungen für die Sabbatinstitution gestellt ist, von vornherein eine Beschränkung der Tätigkeit statuiert, die weit über den Begriff des איסור מלאכה hinausgeht. Während das עשית מלאכה – Verbot nur das eigentliche menschliche Schaffen, das Produzieren einer kunstgerechten Veränderung eines Stoffes, dies aber dann als das höchste, todeswürdige חלול שבת verpönt ist, ist שבתון der substantivische Begriff des Sabbatgebotes: תשובה, und gebietet seiner etymologischen Bedeutung gemäß und in der Allgemeinheit, ohne Objekt: Stillstand der wochentätigen Tätigkeit überhaupt, auch wo sie nicht unmittelbar produktiv ist. Der Begriff שביתה umfaßt somit alle Erwerbs- und Gewerbstätigkeit, alles was der Prophet (Jes.58,13) in dem Satze: אם תשיב משבת רגלך וגו' „Wenn du vom Sabbat deinen Fuß zurückhältst, nicht deinem Willen an meinem heiligen Tage auszuführen u.s.w. und du ihn ehrest, indem du deine Wege nicht machest, deinen Willen nicht suchest und nicht einmal ein Wort davon spricht,“ als Entweihung des Sabbats bezeichnet, alles ferner, was schon aus der allgemeinen Pflicht des שמירת התורה und speziell der שמירת השבת als Gesetzeshut im Prinzipe gegeben und von חז"ל in den גזרות und  שבותיםnur näher präzisiert worden. …

Wie der Prophet (Amos 9,11) bei der Wiederaufrichtung der „fallenden Davidshütte“ erst die Umzäunung wieder herstellen und dann sie wieder erbauen lässt, weil ja nur innerhalb eines geschützten Gebietes sich der Bau gesichert für immer vollbringen lässt, also sehen wir auch für den wöchentlich aufs neue zu vollziehenden großen Aufbau des Sabbats erst das ganze Gebiet der Menschentätigkeit für den Sabbat in Anspruch genommen, innerhalb dessen sodann der große Bau des איסור מלאכה gesichert ausgeführt werden kann, der die weltbeherrschende Menschentat zu Bausteinen eines אות,ברית  und קדש, eines Gott verkündenden, Gott und Menschen verbindenden Heiligtums hinnimmt und nur innerhalb der über das ganze Gebiet der Menschentätigkeit sich erstreckenden Sabbatweihe sicher für die Ewigkeit vollzogen werden kann. Daher sehen wir denn auch eben hier gleich in dem Begründungskapitel des Sabbats alle שבותי דרבנן: מוקצה , נולד,הכנה, auch תחומין, soweit sie דרבנן,  in ihren Wurzeln bereits gegeben.

 Kap.17, V.8 Es kam Amalek und kämpfte mit Jissroél in Refidim.

 Kap.17, V.8 Alle Erfahrungen, die das zum Gottesvolke bestimmte Jissroél seit seinem Eintritte in die Wüste bisher gemacht hat, Mara, Wachteln, Manna, Sabbat, Wasser aus dem Felsen, lehrten es seine künftige Stellung zu der Natur kenne, lehrten es, welche Unabhängigkeit von den Naturgewalten es mit alleiniger Unterwerfung unter den Willen des Einzigen zu gewinnen haben solle. Eine Erfahrung war noch in diesen Vorbereitungswochen für die Gesetzempfängenis zu machen übrig: die Stellung des künftigen Gottesvolkes als Volk unter den Völkern, seine Stellung zu den Menschengewalten und für die Zukunft des Menschengewalt. Diese Erfahrung sollte ihnen noch in Refidim werden; ihr Lehrmittel war Amalek.

Wie Esaus Genius einst Jakob, Jissroéls Ahn auf dem Wege zur eigenen Selbständigkeit in nächtlichen Angriff das ganze ringende Geschick und den endlichen, Gott verkündenden Sieg durchleben ließ, den Esaus Kinder Jakobs Söhnen während der Nachtjahrhunderte der Volksgeschichte bereits würden: so war Esaus Enkel, Amalek, das erste und einzige Volk, das Jakobs Enkeln, Jissroél, auf ihrem Zuge zur nationalen Selbständigkeit, ungereizt und unbedroht, sich mit feindlichem Angriff entgegen warf. Wie עיף ויגע, wie wanderungsmüde und schwach auch dieses mit Weib und Kindern eine Heimat suchende Familienvolk erschien, die Gottesmacht, die schirmend und leitend über ihnen schwebte, war so imposant sichtbar geworden, aß ihr Schrecken alle übrigen Völkern selbst die zunächst bedrohte lähmte. Philistäa fürchtete, Edom blieb bestürzt, Moab zitterte, Kanaan war ganz verzagt, nur Amalek eilte, völlig unprovoziert, herbei, um das Ruhmeswagnis und den Kampf mit der Macht zu bestehen, der selbst ein Pharao erlegen. Es alleinלא ירא אלקי' , fürchtete Gott nicht. Es allein war der Erbe jenes Geistes, der sich das Schwert zum Anteil erkor, der den Ruhm in blutigem Lorbeer, und der das נעשה לנו שם, mit welchem der alte Nimrod die Weltgeschichte eröffnet, in Vernichtung des Volksglücks und Zerstörung des Menschenheils zu verwirklichen sucht. Diese Ruhm suchende Gewalt ist der erste und letzte Feind des Menschenheils und des Gottesreiches auf Erden. Pharaonische, Interessen suchende Gewalt hat noch Interesse an der Erhaltung des Geknechteten und kann selbst ein Freund der Freiheit werden, wenn die Freiheit in ihrem Interesse wuchert. Amaleks Ruhm suchendes Schwert hat keine Ruhe, so lange noch ein bescheidenes Glück blüht, das vor seiner Gewalt nicht zittert. – 

Ebenbürtige, gleich ihm schwergerüstete Gewalt haßt Amalek nicht, vielmehr in solcher Rüstung nur achtende Furcht vor seinem Schwerte, bekriegt, aber achtet, was ihn anerkennt und dem gleichen Prinzipien huldigt. Da aber sieht er einen Gegenstand tödlichen Hasses und gründlicher Verachtung, wo man es wagt, den Schwert entbehrlich zu finden, wo man geistig-sittlichen Mächten zu vertrauen wagt, von denen das Schwert ebenso wenig eine Ahnung hat, als es sie zu erreichen vermag. In dem Vertreter der friedlichen Hoheit des Menschen sieht es den Hohn seines Prinzips, sieht es seinen einzigen Gegner und ahnt es seinen einstigen Sturz. Mit dem sicheren Instinkt des Hasses eilt daher Nimrod-Amalek herbei, den Herold dieser geistig-sittlichen Friedenshoheit des Menschen gleich bei seinem ersten Auftreten in der Völkergeschichte zu zertreten. Amalek kam und bekriegte Jissroél in Refidim. Vielleicht, wenn nicht Israels Gott versuchender Kleinmut Refidims Umwandlung zu einer Wasser bietenden Lagerstätte veranlaßt hätte, wäre Jissroél schon längst nach Horeb weiter geführt worden und Amalek hätte es nicht mehr in Refidim getroffen. So aber hatte Jissroél diese neue angstvolle Erfahrung zu bestehen.

 V.9-12 Da sprach Mosche zu Jehoschua: Wähle uns Männer und gehe hinaus, kämpfe mit Amalek. Morgen stehe ich auf dem Gipfel des Hügels, den Stab Gottes in meiner Hand.

10. Jehoschua tat, wie im Mosche gesagt hatte, mit Amalek zu kämpfen. Mosche, Aharon und Chur waren zum Gipfel des Hügels hinangegangen.

11. Und es war, wenn Mosche seine Hand in der Höhe hielt, siegte Jissroél, und wenn er seine Hand ruhen ließ, siegte Amalek.

12. Moshes Hände wurden schwer, da nahmen sie einen Stein, legten ihn ihm unter, und er setzte sich darauf. Aharon und Chur stützten seine Hände, der eine von hier, der andere von dort; so blieben seine Hände Ausdruck des Vertrauens, bis die Sonne unterging.

 V. 9-12 Angegriffen von Amalek, muß Jissroél den Kampf wagen, allein es ist nicht Jissroéls Schwert, sondern Moses Stab, der Amalek besiegt, und es nicht eine dem Stab innewohnende Wunderkraft, sondern es ist die durch die emporgehobene Hand zum Ausdruck und Bewußtsein kommende אמונה, das vertrauensvolle sich Hingeben und Anklammern an Gott, das dem Sieg erstreitet.

אמונה kommt so absolut als Bezeichnung des Charakters oder Inhaltes eines Subjekts vor. כל מצותיך אמונה  (Ps.119,86), ואמונה עניתני (das.75), daß du mir Leiden gegeben, war deinerseitsאמונה . Aaron und Chur waren die Repräsentanten des Volkes Moses zur Seite. Nicht des Führers, sondern das durch den Führer geweckte Gottvertrauen des Volkes führt zum Siege.

 V.13 Jehoschua schwächte Amalek und sein Volk mit der Schärfe des Schwertes.

 V.13 חלש , ויחלש: während חלץ das Lösen eines hemmenden Bandes, somit ein Freimachen bedeutet, heißt חלש das Lösen der natürlichen zusammenhaltenden Kraft, somit: schwächen. Josua schwächte nur Amalek. Seine endliche Besiegung bleibt der fernen Zukunft vorbehalten. Ist ja auch Jissroél noch nicht reif. Bis zu Jissroéls Reife ist selbst für Jissroéls entwickelnde Erziehung der Gegensatz notwendig.

 V.14 Gott sprach zu Mosche: Schreibe dies zum Gedächtnis in das Buch, und gib es auch in Jehoschuas Ohren, ass ich Amaleks Gedächtnis gänzlich von unter den Himmel forttilgen werde.

 V.14 בספר, in das Buch der Lehre und des Gesetzes, ושים וגו' und was du allgemein zum Gedächtnis niedergeschrieben hast, das übermittle erklärt und entwickelt dem Geiste Josuas. Wir haben hier für ein geschichtlichen Moment כתב und בעל פה wie für das Gesetz. Vergl.ואלה המשפטים אשר תשים לפניהם (Kap. 21,1) את זכר עמלק. Nicht Amalek ist das Verderbliche, das Andenken das Ruhmesgedächtnis Amaleks ist das Verderbliche für die sittliche Zukunft der Menschheit. So lange die Annalen der Menschheit das Gedächtnis der Helden des Schwertes mit Ruhm bedecken, solange Würger und Mörder des Menschenheils nicht in Vergessenheit begraben werden, so lange blickt jedes jüngeren Geschlecht bewunderend zu diesen Größen der Gewalt und gleichen Ruhm. Erst wenn das göttliche Sittengesetz das einzige Maß für Kleinstes und Größtes geworden und nicht in umgekehrten, sondern in gleichem Verhältnis der Anspruch des Sittlichen wächst mit der Größe und der Macht, und je größer und mächtiger der Mensch, um so weniger eine Versündigung gegen das Sittengesetz entschuldbar gefunden wird, und Verbrechen Großer und Mächtiger um so tiefer mit Abscheu erfüllen: erst dann wird Amaleks Reich auf Erden für immer dahin sein. Daß dies das endliche Ziel der Gotteswaltung in der Geschichte sei, das hat Gott hier nach der ersten Schwächung Amaleks ausgesprochen: „Auslöschen, auslöschen werde ich das Andenken Amaleks, so weit der Himmel reicht.“ – So ist auch V. 9,7 der Gedanke prägnant ausgesprochen, daß erst mit dr Untergang des Gedächtnisses der Verheerungen und Eroberungen, diese selbst von der Erde verschwunden sein werden: אבד זכרם המה !

 V. 15 Da baute Mosche einen Altar und nannte ihn: Gott ist mein Panier!

 V.15 ויבן משה מזבח. Wie Jakob, nachdem er im nächtlichen Kampfe mit Amaleks Genius den Namen Israel errungen, im Bewußtsein dieses Namens ein „Altar zum Denkmal“ baute ויצב שם מזבח (1 B.M. 33,20 siehe das.) und sich damit den Zuruf verewigte: אל אלקי ישראל: so baut auch hier Moses nach dem ersten Siege über Amalek und nach der ihm offenbar gewordenen Bedeutung dieses Sieges einen „Altar zum Denkmal“. Amaleks Größe ist „Zerstörung“. Jissroéls Sendung heißt „ Bauen“, und zwar friedliche, menschliche Aufbau alles Irdischen zu Gott. Dieser Altarbau, diese endliche Erhebung der ganzen Erde zu einem Gottesaltare ist der Gegensatz zu Amaleks Schwert (vergl. Kap.20,22). Dieser Mosesaltar der Wüste beginnt den Kampf mit Amalek; darum nannte er ihn: ד' נסי, Gott ruft mich in den Kampf, und zeigt mir, wo ich kämpfen soll. נס ist keine Waffe und kein Schutz. נס ist das hoch emporgehaltene Zeichen, das dem Kämpfer Richtung und Ort des zu bestehenden Kampfes zeigt. Das Werk, das Gott durch Moses beginnen und begründen ließ, hat nicht nur die Konstituierung Jissroéls nach Innen zum Ziele. Der göttliche Aufbau alles Menschlichen in Jissroél hat die Bekämpfung und Überwindung alles Ungöttlichen und Unmenschlichen auf Erde zum Ziele. Dieser Bau greift nicht an, aber er wird angegriffen, wie von Amalek hier, und in dem Kampfe seiner Verteidigung geht Amalek zu Grunde.

V.16 Er sprach es: denn die Waltung auf Gottes Thron heißt: Krieg für Gott wider Amalek von Geschlecht zu Geschlecht.

 V.16 ויאמר, er gab ihnen diesen Namen und sprach damit aus, daß u.s.w. oder: er sprach dies, weil u.s.w. – כס kommt nicht wieder vor. Es ist offenbar, das nicht vollendete כסא, so wie י' nur ein Teil des Gottesnamens ist. Es ist offenbar wie die Weisen es ausgesprochen:לא השם שלם ולא הכסה שלם עד שיאבד זכרו של עמלק, so lange Amaleks Ruhmgedächtnis lebt, ist weder Gottes Thron noch sein Name vollständig. Nur in der Natur, aber nicht über die Menschenwelt wird Gottes Herrschaft anerkannt, so lange nicht die Menschentat sich Gott unterwirft, und so lange das Ideal der Menschengröße die Gewalt und nicht die Gott huldigende Vollbringung seines Sittengesetzes ist. Allein Moses spricht es hier aus: die auf Gottes Thron waltende Macht – so unausgebaut auch noch der Thron und so unvollständig auch noch erkannt sein Name – heißt nichts anderes als: Krieg für Gott, d.h. für seine volle Anerkennung, wider Amalek von Geschlecht zu Geschlecht. Der Inbegriff der Gotteswaltung in der Geschichte ist nichts anderes, als Kampf wider Amalek bis ans Ziel der Zeiten.

 

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