Rabbiner Samson Raphael HIRSCH
פרשת שפטים
Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Schaufetim
Kap.17 V.14 Wenn du zu dem Lande hinkommst, welches Gott,
dein Gott, dir gibt, und du hast es in Besitz genommen und wohnst darin, so
wirst du sagen: Ich möchte über mich einen König setzen, wie alle Völker, die
um mich sind.
Kap.17 V.14:
Wenn
Du zu dem Lande, welches Gott, dein Gott, dir gibt, gekommen sein wirst und
hast es in Besitz genommen du wohnest darin , diese das Königskapitel
einleitenden Worte sprechen in vorinhein unzweideutig aus, daß nicht zur
Eroberung des Landes und nicht zur Entfaltung nach außen, die Bestimmung des
jüdischen Königs sein soll. Es ist Gott, der
Jissroél das Land gibt, Gott, unter dessen Beistand er das Land erobert
und unter dessen Schutz sicher darin wohnt, wie dieser allein ausreichende
Beistand, Schutz und Segen Jissroél wiederholt und wiederholt im Gesetze
zugesichert ist, und auch von Moses in seinen die Eroberung des Landes
vorbereitenden Ermahnungen wieder und wieder hervorgehoben worden. Dazu bedarf
Jissroéll keine Königsmacht, dazu hat Jissroél nur Jissroél zu sein, hat sich
nur als das pflichtgetreue Volk des göttlichen Gesetzes zu bewähren, hat nur
den sittlichen Sieg über sich selber zu vollbringen, um des Sieges über die
feindlich entgegenstehende Macht von außen gewiss zu sein. Prägnant spricht ספרי dies mit einem
erläuternden Worte zu unsere Stelle aus: אשר ד' אלדיך נותן לך ,בזכותך, Gott gibt das Land dir, zu
dessen Gewinnung bedarfst du keines Königs, brauchst du nur dich, dein eigenes
selbst. In der Tat spricht auch die Halacha die Einsetzung eines Königs, als
erst nach vollendeter Eroberung und Besitznahme des Landes, לאחר ירושה וישיבה, geboten aus (Kiduschin 37b)
und weist dort ausdrücklich die Präsumtion zurück, als sei kriegerische
Eroberungsmacht Zweck des jüdischen Königtums (siehe daselbst).
Die Beifügung: ככל הגוים אשר סביבתי wäre demnach
zweifelsohne nur also zu fassen: wie alle Völker die Einigung aller nationalen
Kräfte für die höchste nationale Wohlfahrt, die ihnen in Entfaltung einer
möglichst großen Macht nach außen besteht, nur durch Unterordnung unter ein
Oberhaupt erreichen, dem für diesen Zweck alle nationale Kraft zu Gebote
gestellt ist, so wirst du das Bedürfnis fühlen, deine Einigung für deine
höchste nationale Wohlfahrt, die dir aber nur in möglichst vollendeter
Verwirklichung des göttlichen Gesetzes im Innern besteht, durch Unterordnung
unter einen Oberhaupt zu gewinnen, das selber als erster gesetztreuer Jude in
dem sittlichen Adel dieser Gesetztreue mustergültig voran leuchtet, mit dem
Geiste dieser Bestimmung erfüllt, diesem Geiste alle Geister und Herzen in
Erkenntnis, Gesinnung, Wort und Tat zu gewinnen und allem diesem Geiste sich
Entfremdenden mit der Macht seines
Wortes, seines Beispiels und seines Ansehens entgegen zu treten hat, und dem du
für diesen vorkämpfenden Schutz deiner nationalen Bestimmung in deinem Innern
alle deine Kräfte zur Verfügung stellt.
Wie sehr dies die eigentliche Bestimmung des jüdischen Königs sein
sollte, wie sehr durch ihn der mit der Dezentralisierung drohenden Gefahr der
Entfremdung und Entfernung der vereinzelten nationalen Teile von der einen
sittlich nationalen Gesamtaufgabe entgegenwirkt werden sollte, das bekunden die
Geschichtsbücher des jüdischen Verfalls durch die bei besonders hervortretenden
Momenten desselben wie פסל מיכה und
פלגש בגבעה wiederkehrende
Erläuterung: בימים ההם
אין מלך בישראל איש הישר בעיניו יעשה
(Richter
17,6. 18,1 19,1 und 21,28).
In vollstem
Gegensatz zu dieser ursprünglichen Bestimmung des jüdischen Königs stehen die
Motive, aus welchen, und die Zwecke, für welche die erste Königswahl unter
Samuel (Sam. I,8) geschah. Der Vorwurf in Samuels Rede ans Vol (daselbst
12,12): ותראו כי נחש מלך בני עמון בא
עליכם ותאמרו לי לא כי מלך ימלך עלינו וד' אלדיכם מלככם lässt keinen
Zweifel darüber zu, daß die Verteidigung gegen äußere Feinde, mit völliger
Verkennung des nun in Gott ruhenden und von Gott zu erwartenden Landesschutzes,
Motiv und Zweck dieser Königswahl gewesen. Sie wollten einen König nicht nur
nach der Form, sondern im Sinne aller Völker, wie sich dies ja auch in der
Forderung des Volkes (daselbst 8,20) unzweideutig ausspricht: ויאמרו לא כי אם מלך יהיה עלינו
והיינו גם אנחנו ככל הגוים ושפטנו מלכנו ויצא לפנינו והלחם את מלחמתנו, wo das durch das folgende ויצא לפנינו וגו' erklärte ושפטנו מלכנו entschieden
nicht im Sinne der inneren Rechtshandhabung, sondern der Rechtsvertretung, der
Verteidigung nach außen gemeint ist, in welchem Sinne ja alle die zur
Verteidigung der Unabhängigkeit des jüdischen Landes und Volkes aufgestandenen
Männer: שופטים genannt werden,
und שפט את ja überwiegend:
jemanden zu seinem Recht verhelfen heißt.
Für das in
unserem Königskapitel besprochene erbliche Königtum war ja im eigentlichen
Sinne die Zeit noch gar nicht gekommen. Die ausdrücklich gestellte Vorbedingung
ירושה וישיבה war ja nur sehr
unvollkommen erfüllt. Nicht vor vollendetem Eroberungswerk, nicht mit
kriegerischem Lorbeer geschmückt sollte der erste jüdische Dynast den erblichen
Königsthron besteigen. Die unter Gott und nur unter Gott in treuem Gottgehorsam
geeinigte Nation sollte das Eroberungswerk vollbringen und das völlig eroberte
Land unter Gottes leitender Anordnung verteilen. Daraus sollte der künftige
jüdische König keinen Anspruch auf Macht huldigende Anerkennung für sich und
seine Nachfolger herzuleiten vermögen. Erst wenn das ganze Land erobert und
verteilt geworden und jeder sich auf seinem Acker fortan der für immer
friedlichen Lösung der hohen jüdischen Lebensaufgabe hingegeben sehen würde,
sollte, wie der symbolische Einigungspunkt im מקדש, so ein konkreter Träger dieser nationalen Einheit im Könige
erstehen. Beiden Momente sollte ja ירושה וישיבה vorangehen, und nur eine Schlacht sollte der für
die Friedensarbeit der jüdischen Nation berufene König schlagen, die letzte vor
dem מקדש-Bau, die
Schlacht gegen Amalek (Sanhedrin 20b), dann sollte nach dem jüdischen
Königsideal sein Schwert für immer in der Scheide ruhen.
Dies Ideal kam nicht zur Verwirklichung. Es gehört,
wie das ganze Gottesgesetz, noch der Zukunft an.
Bedeutsam
erläutert ספרי unseren Text: אשר ד' אלדיך נותן לך בזכותך
וירשת וישבת בה בשכר שתירש תשב das Land wird dir von Gott lediglich durch
sittliches Verdienst, und du erlangst die dauernd gesicherte Niederlassung im
Lande nur durch volle Erfüllung des Eroberungsgesetzes. Beides war nicht
geschehen. Die Eroberung blieb unvollendet, und viel zu früh ließen sich die
Stämme von den Reizen der Niederlassung bestimmen, einen großen Teil der
Bewohner mit ihren polytheistischen Anschauungen und Sitten neben sich im Lande
wohnen und rasch ließen sie sich zum Selbsthinfall an dieses verlockende
Unwesen verleiten. Der Moment der Königswahl unter Samuel war in Wahrheit noch
verfrüht. Es hätte erst gegolten, das durch Samuel begonnene Werk der
sittlichen Rückkehr zum Gottesgehorsam zu vollenden und damit den
Gottesbeistand zu der noch zu vollbringenden Gesamtbesitznahme des Landes zu
erzielen. Stattdessen glaubte das Volk, beides entraten und die sittliche
Besserung, sowie den Gottesbeistand durch ein erbliches kriegerisches
Oberhaupt, wie alle Völker umher, ersetzen zu können, und darin lag das
Vergehen.
Das glauben wir
denn auch sei der Sinn der Worte'ר יהודא s im
ספרי:והלא מצוה מן התורה לשאול להם מלך שנאמר שום תשים עליך מלך
אשר יבחר ד' אלדיך בו ולמה נענשו בימי שמואל לפי שהקדימו על יום . Der Fehler lag in der
Verfrühung der Königswahl. Sie forderten einen König in einer Zeit, die noch
erst die Sicherstellung des Landesbesitzes heischte und forderten ihn daher zu
früh in ihrem (vermeintlichen) materiellen Interesse (על ידם wie: קיצץ אדם על ידי עצמו ע"י
בנו ובתו הגדולים u.s.w. (B.M.93a) השוקל על ידי כהן וכו' השוקל על ידי עני וכו' (Schekalim I, 6 u.7) und sonst. Das ככל הגוים אשר סביבותי welches die
Kommentare zum ספרי hinauf zu על ידםlesen, gehört
offenbar hinunter und leitet einen neue Erläuterungssatz ein. Es fehlt auch in
der תוספתא zu Sanhedrin
(Kapitel VI), wo dieser Ausspruch des ר' יהודא, gebracht wird und in der ספרי-Ausgabe mit הגהות הגר"א ווילנא ist auch die Interpunktion unserer Auffassung
gemäß.
Wenn nun Sam. I.
8, 11 f. das Königsrecht, משפט המלך,
als eine absolute Gewalt über Personen und Güter des Volkes geschildert wird,
und, obgleich offenbar diese Schilderung die Absicht hatte, das Volk von der
Wahl eines solchen Königs
zurückzuschrecken, was unzweideutig aus dem Bericht über den Mißerfolg dieser
Schilderung die erhellt: וימאנו העם וגו' ויאמרו לא כי וגו' והיינו וגו'
(daselbst
Verse 19 u.20), dennoch nach einer als Halacha rezipierten Ansicht (Sanhedrin
20b) alle die dort geschilderte absolute Macht als die wirklich dem gewählten
Könige zuständige Machtsvollkommenheit begriffen wird, כל האמור בפרשת מלך מלך מותר בו: so dürfte dies gleichwohl
nicht das ursprüngliche Recht des im Sinne unseres Textes gebotenen Königtums
sein. Einem Könige, wie das Volk von Samuel verlangte und seinem Verlangen
nachgegeben wurde, einem Könige zu dessen Attribut im Sinne aller damaligen
Völkerkönige vor allem die Entfaltung einer großen nach außen gefürchteten
Kriegsmacht gehörte, einem solchen Könige mußte unbedingt nach dem damals
geltenden Königsrecht der Völker eine absolute Gewalt über Gut und Blut seiner
Untertanen eingeräumt werden. Eine solche absolute Verfügung über Menschen und
Güter der Nation war unumgänglich, um jederzeit die gesamte Nationalkraft zur
schlagfertigen Kriegsbereitschaft entbieten zu können und, indem das Volk mit
vollem Bewußtsein einen solchen mit den Attributen der Völkerkönige bekleideten
König für die Zwecke der Völkerkönige verlangte und wählte, begab es sich
allerdings einem solchen nunmehr eintretenden Königtum gegenüber aller
Selbständigkeit, und כל האמור בפרשת מלך מלך מותר בו, und alles in der samuelischen Verwarnung Enthaltene stand
fortan den jüdischen Königen rechtlich zu.
Daß
eine solche Königswahl nicht im ursprünglichen Sinne des göttlichen Gesetzes
lag, daß der Forderung nur zum Erziehungszwecke der Nation nachgegeben wurde,
damit sie, die darin ihr Heil erblickte, auch das einmal in bitterer Erfahrung
kennen lernen möchte, das spricht noch das Prophetenwort (Hoseas 13, 9-11) mit
bitteren Ernste aus: שחתך ישראל כי בי בעזרך, אהי מלכך אפוא ויושיעך בכל עריך ושפטיך אשר אמרת תנה
לי מלך ושרים, אתן לך מלך באפי ואקח בעברתי, dein
ist das Verderben, denn in mir warst du in deiner Hilfe. Wo ist dein König nun;
wo daß er dir helfe in allen deinen Städte! Und deine Richter, der du
gesprochen: gib mir einen König und Fürsten! Ich gab dir einen König in meinem
Unwillen und nahm ihn in meinem Zürnen.
Unter den auf Grund dieses Volksaktes
gewählten Königen fand sich einer, der neben der kriegerischen Tüchtigkeit der
siegreichen Volkes- und Landesverteidigung sich gleichzeitig mit dem geistigen
Ideale eines jüdischen Königs nach dem Herzen
Gottes so erfüllte, daß er wie kein anderer vor ihm und
nach ihm die ganze Fülle jüdischer Menschen- und Volksbeziehungen zu Gott in
begeisterten und begeisternden Gedanken- und Empfindungstönen also hinaussang,
daß er mit seinen Gesängen der eigentliche Schöpfer und Träger des jüdischen
Volksgeistes geworden, und noch heute, und weit über den jüdischen Kreis
hinaus, unmittelbar oder mittelbar auf den Schwingen seines Wortes jedes Gemüt
zu Gott emporträgt, das Erkenntnis und Stütze von Gott und in Gott sucht diesen König David
den Jisaiden, in welchem die Doppelseite des jüdischen Königtums, das Schwert
und die Leier, die geistige Trägerschaft der Nation neben deren siegreichen
Verteidigung nach außen in so eminenter Weise in die Erscheinung trat; daß ein
von seinem Geiste geweckter Nationalsänger ihn geradezu eine מציאה, einen Fund
nannte, den Gott für den Dienst seines Werkes gefunden, מצאתי דוד עבדי (Ps. 89,21), ihn weihte Gott zur königlichen Stammeswurzel bis
in die späteste Zukunft hin, die einst mit der vollen Verwirklichung des
göttlichen Gesetzes auch die reine Verwirklichung des Gesetzeskönigs in
Jissroél bringen wird, und noch der Mann dieser jüdischen Zukunft, der einstige
Heranbringer dieser Wirklichkeit, auf dem ruhen wird der Geist Gottes, der
Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der
Geist der Gotteserkenntnis und der Gottesfurcht, dessen Wort zum erdgebietenden
Szepter sich gestalten wird, und vor dessen Geist die Gesetzlosigkeit erstirbt,
der das Recht und die Treue also zur Herrschaft bringen wird, daß der Wolf
neben dem Schafe
und der Tiger
neben dem Böckchen
ruht, daß auf der zum Berge des Gottesheiligtums emporstrebenden Erde keine
Bosheit, keine Unsittlichkeit mehr verübt wird, weil die Erde voll sein wird von
der Gotteserkenntnis, wie das Wasser des Meeres Bette deckt
diese späte edelste Verwirklichung eines jüdischen Gesetzeskönigs wird noch ein
Reis sein aus dem scheinbar gefällten Jisaisstamm und ein langbewahrter Sproß
auf seinen bis dahin nachtbedeckten Wurzeln (Jesajas 11).
Allein, wie die
kriegerische Seite seines Königtums David die Würdigkeit entzog, Gott sein
Gesetzesheiligtum zu bauen (Chron. I. 22,8) und dieses seinem Sohne verblieb,
dem er den siegreich erstrittenen Frieden als Erbteil hinterließ, so wucherte
diese Seite eines Königtums nach Völkerart bei diesem seinen Sohne selbst in
den Frieden über, und Salomo, der geistig große Davidssohn, der
Friedensfürst, der mit seiner Weisheit sein Volk erleuchtete und die Völker
weithin zur Bewunderung hinriß, setzte sein Ideal nicht in die geistige und
sittliche Hebung und Vollendung seines Volkes, sondern in die
Friedensnachahmung der Könige nach Völkerart, deren Töchter er freite und die
er in die Pracht und Üppigkeit zu überstrahlen wetteiferte und, indem er die
drei Paragraphen des hier folgenden Königsgesetzes brach, viele Rosse und
viele Frauen und viele Schätze zu besitzen suchte, legte er selbst den Grund
zum Untergang des Heiligtums, das er der dem Gottesgesetz erbaute. An dem Tage spricht eine alte
Überlieferung , an welche Salomo die Pharaonentochter heimführte, stieg
Gabriel, der Bote der Gottesmacht, nieder und pflanzte einen Stab ins Meer
und daran setzte sich der Grund an, auf welchem die große Stadt Roma erbaut wurde. בשעה שנשא שלמה את בת פרעה ירד גבריאל ונעץ קנה בים והעלה
שירטון ועליו נבנה כרך גדול של רומי
(Sanhedrin
21b nach der Leseart im ילקוט).