zondag 22 oktober 2023

Raw Simon SCHWAB: Heimkehr ins Judentum (1934) Auszug


Heimkehr ins Judentum (Auszug)

 

Raw Simon SCHWAB

4.

Keine Konfession, kein Glaube, keine Bekenntnisgemeinschaft kennt solche Realitäten wie einen staatenbildenden Gotteswillen, der den ausschließlichen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Machtfaktor im Leben einer durch den selben Willen gegründeten und getragenen Nation darstellt (das ist weit mehr als Theokratie). Selbst Unterschiede zwischen „liberaler“ und „orthodoxer“ Religiösität sind völlig abwegig, denn sie betreffen Auffassungsart, Interpretation, Intensität, vielleicht Variationen eines bestimmten Glaubens, niemals aber geschichtswirkliche Realitäten. Hier gilt nur die Alternative: Wahrheit oder Lug und Trug. Es galt in Westeuropa die Orthodoxie – seit etwa hundert Jahren – als bekenntnistreue Gemeinschaft der theoretischen und praktischen Bewährung der Religionsauffassung eines weltanschaulich festgelegten Menschenschlags – aber galt keineswegs als unverfälschtes Volkstum, als Thora-Nationalität, von Gott gezeugt, Seinen Willen tragend durch die Menschheit. –

Selbst die agudistische Ideenwelt hat bisher nur zaghafte Erziehungsversuche in dieser Richtung unternommen. Der palästinozentrische zionistische Jude ist Nationaljude, im glücklichen Hochgefühl einer handfesten, positiv geschichtlichen Lebensauffassung, als selbstbewußtes Einzelglied eines Volksstammes, der zumindestens sich selber im Lichte politischer Weltgestaltung begreift. (Er entscheidet sich auch gegen oder für die Orthodoxie als Religionsmethode und verfährt somit in ähnlicher Art, wie andere zeitgenössische Staatsbürgergruppen ihr Problem: „Staat und Kirche“ zur Lösung zu bringen.) Die Orthodoxie als „reinreligiöse“ Glaubensgemeinschaft ohne realpolitische Kraft ist gegen diese nationalistische Denkweise in der Praxis völlig hilflos. Was erreicht wird ist meist nur fruchtlose Weltanschauungs-Diskussion, die Unbegreifen, Gegnerschaft, Verständnislosigkeit auf der anderen Seite hervorbringt und die Fronten nicht klärt. Es kann niemals gelingen, die drei historischen Entstehungsfaktoren des Golus zu meistern, wenn nicht bald die zu Ende gedachte Selbstbesinnung der Orthodoxie allgemein sich durchsetzt. Seit dem Ideenkampf mit dem pseudojüdischen Liberalismus und dem heidnischen Individualismus des vergangenen Jahrhunderts ist für große wertvolle Teile der Orthodoxie, vornehmlich im Westen, das Thorajudentum – meist gegen bessere Überzeugung – zur Nur-Konfession zusammengeschmolzen. Um es nochmals klar zu formulieren: Nur ein orthodoxen Judentum, als göttliche Nation, die ihren souveränen König, den Dreimalheiligen Gefolgschaft bis in den Tod wahrt, als einem über das Nurreligiöse hinausweisenden göttlich-nationalen Begriff also, kann das geschichtliche Werk gelingen, Erez Jisrael und damit die heute noch oder wieder profanen jüdischen Volksmassen für Thora, für die göttliche Kultur des Lernens und Übens zu erobern und zu kultivieren; gleichzeitig auch durch planmässiges Werben, Aufklären und Erziehen, selbst den letzten schäbigen Rest des prinzipiellen Gottlosen- und Leugnertums aus dem Heiligen Lande zu bannen. Nur der Orthodoxie als dem politischen Wesensgebilde des Judentums – als – Gottesnation, wird es gelingen die jüdische und nichtjüdische Öffentlichkeit – vornehmlich die Mandatarmacht – zur realpolitischen achtungsvollen    Anerkennung zu gewinnen. Selbst über den Umweg der orthodoxen gleichberechtigten Sondergemeinden, die beileibe kein Ideal, aber ein trauriges Nichtanders-Können für den thoratreuen Teil der Kneseth Jisrael in Palästina sind. Nur der Orthodoxie endlich, als der selbstbewussten Kerntruppe des Thoravolkes, könnte das hohe Werk möglich werden, im Interesse und in stillschweigender Auftrag der Gesamtjudenheit und seiner zukünftigen Geschichte, mit der islamitischen Welt auf dem Verhandlungswege einen politischen Freundschaftsbund einzuleiten, der von der Grundtatsache ausgeht, daß der eine Partner, das jüdische Volk, auf jede außerjüdische Machtbefugnisse deshalb doch feierlichst Verzicht leisten kann, da es eine gottgegebene Politik vertritt, die ohne Messias jede Annexion im Gewaltwege – oder wider den ausgesprochenen Willen der nichtjüdischen palästinensischen Einwohnerschaft – als Verbrechen an Gott und der Nation verurteilt.

 Man missverstehe uns nicht. Die realpolitische Formgebung des jüdischen Gottes- und Volkbewusstseins ist niemals Zurückdrängung der rein seelisch-sittlichen Komponenten der jüdischen Gedankensphäre, jener Innigkeit und Entrücktheit unsrer tiefsten und intimsten Empfindungswelt. Die Politik der Thora ist nicht Gegensatz zu Kabala, Mussar und Chassidismus, nicht Widerspruch zur jüdischen Mystik, Philosophie und Agada; sollen ja die talmudischen Meister Jisraels sie führen. Sie ist vielmehr letzte zwingende Konsequenz aller prophetischen Offenbarungen Gottes, der Eingang finden will auch in die sonst alltägliche Körperlichkeit soziologischer Schichtungen und Gruppierungen der Menschheit.

 Kein größerer Gegensatz zur prinzipiellen Ideologie des Zionismus ist denkbar. Die gottestrunkene jüdische Seele, soll auch Maß werden aller Dinge und Richtschnur auch der äußeren Beziehungen und Bindungen von Menschen und Menschengruppen zueinander.

5.

Doch bleibt alles obige Phantom, billige kindische Traumphantasie, wenn es nicht gelingt, eine Alija tiefüberzeugter orthodoxer Massen zu organisieren.

Nur die orthodoxen organisierten Massen – der Begriff ist relativ zur gesamtjüdischen Einwohnerschaft gedacht – haben genügend Nachdruck und Einfluss zur Geltendmachung der nationalen göttlichen Forderungen ihrer politischen, kulturellen und erzieherischen Gedankenwelt. Nur orthodoxe jüdische Massen könnten – allein durch die Tatsache ihres Vorhandenseins – die bisher jüdisch-neutralen Kehilloth majorisieren, oder zumindest, kraft ihrer zahlenmäßigen und charakterlichen Bedeutsamkeit, zu einer positiv gesetzestreuen Stellungnahme umstimmen. Nur orthodoxe Massen werden auch im Bündnisfall dem Araber beruhigende Gewähr für die ausgesprochen pro-arabische Bewährung der Gesamtjudenheit bieten können. Eine Immigration bewusster gesetzestreuer Juden ist ein unerlässliches Postulat der Zeit.

Einem ganz großen palästinensischen „Treffen des orthodoxen Weltjudentums“ würde es gelingen, die Parole der Thoraherrschaft auszugeben im Heiligen Land. Die Besten unsres Volkes ziehen ein in die Heilige Stadt, an die heiligen historischen Stätten und Gräber; die Lehrer der Gola, des Volkes Größte und Gelehrteste, die Denker wie die Praktiker, die Erfahrenen, die Opferwilligen und die Entflammten. Litauischen Thorafürsten, chassidische Volksführer, polnische Arbeiterjugend, ungarische Feuerköpfe, deutsche Systematiker, westeuropäische Politiker und Organisatoren, thoratreue Jugendbündler aus aller Welt, Askanim aus Amerika, Südafrika, aus dem gesamten Orient, Vertreter der nordafrikanischen, der jemenitischen Judenheit – eine unerhörte grandiose Demonstration des beispiellosen Kiddusch haschem barabim vor den Augen der Welt auf historischen Heimatboden! – es wäre schon dies allein ein Erlebnis, von kaum einschätzbarer Bedeutsamkeit.

Die volkserzieherische Wirkung der Atmosphäre dieser heilig-fanatischen Unbedingtheit der restlosen selbstbewussten Hingabe an Gottes Herrschaft in Kultur, Politik, Wirtschaftsform, Rechtspflege, Pädagogik und Lebenskunst, ist kaum zu überschätzen. Sowohl für die thorafremde Judenheit, als auch für die englische oder arabische Welt wäre ein derartiger Kinus Zadikim ein wichtiges politisches Erleben, das ernsteste, gründlichste Auseinadersetzung erheischte. Es würde sich das ungetrübte Bewusstsein durchsetzen, daß die Orthodoxie doch wohl nicht eine bedeutungslose Außenseiter-Clique darstelle, sondern das pulsierende Herz des Klall Jisrael, dessen Forderungen für das öffentliche Leben in ihrer elementaren politischen Vitalität stattgegeben werden muss.

Nur so würden für die bereits skizzierten drei historischen Unerlässlichkeiten realpolitische Lösungen gefunden. Erez Jisrael könnte dann seelischer Zentralpunkt der Gola werden. Es muss erobert werden für Gottes Herrschaft, die von Zion ihren Ausgang nimmt. –

Gott gebe den Maßgeblichen die glückliche Einsicht, das Heroische, Einmalige und Echte von der Gesamtheit zu fordern. Es geht um uns alle. Um die erträumte, erstrittene Heimat.

Nicht um die „Erlösung“ geht das Ringen, denn Gottes ist die Erfüllung.

Nicht um den Messias geht‘s – denn Gottes ist das Geheimnis. Aber um des Landes und des Volkes willen, die entweiht wird, laßt uns dies heilige Terrain der Zukunft, laßt uns unser Erez retten.

 

(Aus: Simon SCHWAB „Heimkehr ins Judentum“  Hermon Verlag Frankfurt Main 5695  (1934) S.42-45)

 

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