maandag 17 maart 2025

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH Aus seinem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes SOCHAUR

 


Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 – 1900)

 

הפטרת פרשת זכור

 

Aus seinem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes SOCHAUR

 

Samuel 1, Kap. 15, Vers 1 und folgende

Parachath Sochaur will uns die Pflicht ins Bewusstsein rufen, unser Leben in Tat, Gesinnung und Urteil zu einem Protest gegen זכר עמלק, gegen „amalekitisches Ruhmesgedächtnis“ zu gestalten, also zu einem Proteste gegen Unrecht und Gewalt und jede Anbetung des Erfolges im Einzel- wie im öffentlichen Leben. Die Haftora bringt uns die Geschichte von der Vernichtung des historischen Amalek, und lässt damit zugleich nur um so schärfer hervortreten, daß die uns zu ewigen Gedenken ins Bewusstsein gerufene Pflicht: „das Gedächtnis Amaleks auszulöschen“, sich nicht sowohl auf das conkrete, bereits seit Jahrtausenden dem Moder verfallene Amalek, sondern auf das Amalek-Prinzip bezieht, זכר עמלק, das seiner Bedeutung im Leben des Einzelnen wie der Völker als Vorbedingung des Menschenheiles noch heute entgegenharrt,  wie vor Jahrtausenden.

Kap.15, V.1 „Über sein Volk, über Jissroél“: auch nachdem du zum König gesalbt bist, vergiss nie, daß es nicht „dein“ Volk, nach Art heidnischen Völker, sondern „Sein“ Volk ist, über das du herrschest , und daß du nur in diesem Sinne, als König des Gottesvolkes, deine Macht zu handhaben hast. Darum bedeutungsvoll, nicht: „Höre auf die Worte Gottes“, sondern, wie immer wenn die Pflicht des unbedingten Gehorsams, unabhängig von der Einsicht im Sinn und Absicht des Befehles, rein nur aus Ehrfurcht vor der Autorität, „der Stimme“ des Befehlenden, gefordert wird: „Gehorche der Stimme der Worte Gottes.“ (Vergl. zu 1 B.M. 21,12)

V.3. Der Inhalt des Auftrages lässt sofort erkennen, weshalb insbesondere hieran die Unverbrüchlichkeit des Gehorsams appelliert wird. „Vernichte alles Seinige und erbarme dich seiner nicht!“ – Wenn wir bedenken, daß alle Lehre, alle Gesetze Gottes dahin wirken, Jissroél zur höchsten Feinfühligkeit, zu jener Gesinnung zu erziehen, die gegen alle Mitgeschöpfe Liebe betätigt und sich stets in die Lage des Nächsten versetzt: so stand der hier Saul gegebene Auftrag mit allem sonst gelehrten und Erstrebten im denkbar schroffsten Gegensatz. Dazu kommt: Dieselbe göttliche Gerechtigkeit, die sonst spricht: „die Kinder sollen nicht getötet werden wegen der Sünde der Eltern“, verhängt , verhängt hier Vernichtung über ein Volk wegen eines Verbrechens, das vor Jahrhunderten von seinen Vorfahren begangen worden! Da begreift es sich sehr wohl, weshalb hier mit den Worten: „Gehorche der Stimme!“ jedes Schwanken beseitigt werden soll. Wenngleich sich dem Menschenblicke die Einsicht entzieht: es ist ה', der barmherzige Gott, der Vater aller seiner Menschenkinder, der als ה' צבאות, als der seine Menschheit erziehende und sie zu dem von Ihm bestimmten höchsten Ziele leitende Gott, für dieses Glied der Menschenfamilie jede Erhebung als ausgeschlossen und seine Vernichtung als geboten erkennt. Wegen jenes zu erwartenden Widerstrebens war es deshalb auch nötig, alle in dem Auftrage Inbegriffen und insbesondere diejenigen zu nennen, bei denen die Ausführung am meisten dem natürlichen Gefühle widerstrebte. Das Volk, welches bestimmt ist, das Prinzip allumfassender Nächstenliebe durch die waffenstarrende Welt zu tragen, sollte in diesem Falle der Arm des Gottesgerichtes sein, welches die Wahrheit in ihren ganzen furchtbaren Ernste bekundet: amalekitische Gewalttat bringt, trotz augenblicklicher Erfolge, nimmer Segen, nimmer dauernde Ruhe, sondern unabwendbar, wenn auch oft erst spät, Fluch und Vernichtung den Ahnen folgender Geschlechter.

Daß  übrigens nicht aber bloß wir, in der vermeintlich moderne Denkweise, eine solche menschliche Gesinnung in Schaul zurückreflektieren, sondern daß dieselbe Anschauung  auch bei unsere Weisen lebte, das geht aus dem folgenden im Talmud, Joma 22b, enthaltenen Aussprüche R. Mani’s hervor. Derselbe findet in den Worten: וירב בנחל, V.5 den Ausdruck des Widerstrebens, des inneren Kampfes, den Schaul vor der Ausführung dieses schweren Auftrages zu bestehen hatte. In dem Worte נחל findet er den Hinweis auf die 5 B.M. 21,1-9 angeordnete Entsündigung und Reinigung der Gerichtsbehörden derjenigen Stadt, in der Nähe  die Leiche eines Erschlagenen gefunden wurde, ohne daß es möglich war, den Mörder zu ermitteln. Dann musste nämlich das höchste Gericht einschreiten, und unter den Augen einer Delegation desselben musste die Behörde der nächsten Stadt sich durch die Egla-Arufa-Handlung ausdrücklich von jeder Schuld reinigen, die durch etwaige gegen die ihre Stadt passierenden fremden Wanderer geübte Lieblosigkeit und Vernachlässigung sie an diesem treffen könnte, א"ר מני בשעה שאמר לו הקב"ה לשאול לך והכית את עמלק אמר ומה נפש אחת אמרה תורה הבא עגלה ערופה כל הנפשות הללו על אחת כמה וכמה ואם אדם חטא בהמה מה חטאה ואם גדולים חטאו קטנים מה חטאן יצאה בת קול ואמרה לו אל תצדק הרבה אל תהי צדיק יותר מבוראך. „Als Gott zu Schaul sprach: Vernichte Amalek! sagte Schaul: ‚Wenn schon um eines Menschen willen die Thora die Vollziehung der Egla-Arufa-Handlung anordnet, wie schwer ist da die Verantwortung wegen aller dieser Menschenleben! Wenn die Menschen gesündigt haben, was haben denn die Tiere getan? Wenn die Erwachsene gesündigt hab,  was haben denn die Kinder getan?’ Da erging der Ruf: ‚Wolle nicht gerechter sein als dein Schöpfer!’“ –

Um so charakteristischer für die Verständnislosigkeit Schauls aber war es deshalb, daß er, den Auftrag an „den Kindern und Säuglingen“ ausgeführt hatte, vor dem Königspurpur Agags und vor der dem Wertvollsten der Beute halt machte, wie dieser Kontrast V.8 besonders hervorgehoben wird. – Deshalb  erblickt auch das göttliche Verwerfungsurteil, V.11, in dem ganzen Verhalten Schauls einen Abfall aus der Nachfolge Gottes: שב מאחרי.

 

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 431- 439  Kommentar zu Samuel 1. Kap 15…) 

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„ Jüdische Presse “, Wien Jahrgang1923, 4.Woche