zondag 2 juni 2024

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH Aus seinem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Bemidbar

 


Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 – 1900)

 

הפטרת פרשת במדבר

 

Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Bemidbar

 

 Hosea, Kap. 2, Vers 1 und folgende

 

Kap. 2, V.1 Nicht: בני ישראל, sondern מספר בני ישראל. מספר bezeichnet stets ein verhältnismäßig kleine, beschränkte Anzahl. Vergl.והיו מתיו מספר 5 B.M. 33, 6 Jissroél ist ja an sich das kleinste unter den Völkern, und von ihm gingen ja zehn Stämme, also fünf Sechstel für unseren Blick gänzlich verloren, und das eine Sechstel sollte in den völkergeschichtlichen Stürmen wiederholt decimiert werden. Also nicht die materielle Zahl verleiht ihm Bedeutung. Gleichwohl werden diese materiell so winzigen Nachkommen Jissroéls unter die Völker so bedeutsam werden wie der Sand des Meeres, der, unscheinbar in seinen einzelnen Bestandteilen, nicht gemessen und nicht gezählt wird, und dennoch den mächtigen Schutzwall bildet gegen die anstürmenden Meeresfluten. So werden Jissroéls unter die Völker zerstreuten Söhne einst inmitten der Menschheit als Träger der ewigen welterlösenden Wahrheit von dem einen freien Gotte und dem reinen freien Menschen die mächtige Schutzwehr bilden, hinter welche die zwischen der Scylla des blinden Dogmenglaubens und der Charybdis des öden Materialismus hin- und hergeschleuderte müde Menschheit einst Zuflucht und Erlösung finden wird. – Wenn erst die zerstreuten Söhne Jissroéls durch die trübe Erfahrungen des Exils zu bewussten Trägern dieser Wahrheit erzogen sein werden, so wird ihre Erhaltung, vor allem aber ihr sittenreines, der Übung der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit geweihtes Leben so von den Menschen erkennen lassen als „ Söhne des lebendigen Gottes.“ – Das והיה במקום וגו' steht im Zusammenhang und abschließenden Gegensatz zu V.9 des ersten Kapitels. Dort war dem Propheten geboten, den Namen seines jüngsten Kindes zur steten Mahnung des Volkes „לא עמי“ zu nennen: „denn ihr seid mein Volk nicht mehr und Ich werde euch nicht sein“, d.h. werde mich lange nicht von euch finden lassen. Diese zeitweilige Trennung hat, wie hier gezeigt wird, nur den Zweck der einstigen und dann ewigen Wiedervereinigung.

 

V.2 ונקבצו וגו' Diese von Juda und den wiedergewonnenen Jissroél einmütig vollzogne Wahl eines Oberhauptes gehört der fernen Zukunft an. Das ergibt sich auch aus den Worten: כי גדול יום יזרעאל, denn hier ist offenbar nicht an das V.5 des vorigen Kapitels genannte Jisreel gedacht; die Stätte blutiger Siegesherrlichkeit Jehus, unheilvollen Andenkens. Sondern „Jisreel“ zusammengesetzt aus יזרע אל; bezeichnet das Jissroél des Exils in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung als die unter die Völker „hinausgestreute Gottessaat“, die in der Zeiten Fülle einst aufgehn wird zum eigenen und zu der Menschheit Heile.

 

V.3 אמרו לאחיכם וגו' Bereits im ersten Kapitel war bei der Namensbestimmung der Tochter des Propheten לא רחמה, „Sie findet kein Vatererbarmen“ (V.6) scharf unterschieden worden zwischen der israelitischen Gesamtheit, als dem grundsätzlich Gott entfremdeten Staate, und dessen einzelnen Gliedern. Diesem Staate als solchem war das Vatererbarmen abgesprochen, weil und solange er von dem Vater nichts wissen wollte. In Beziehung auf die Einzelnen aber hieß es: „Wohl aber werde ich ihnen, den Einzelnen, verzeihen.“ Diese Unterscheidung wird nun hier weiter ausgeführt. Unser Vers enthält die Warnung an die auch in Jissroél treu gebliebenen Einzelnen, ihre verirrten Brüder und Schwestern nicht zu verdammen oder sie ihrer Bestimmung für verlustig zu halten.

 

V.4. ריבו וגו' Wohl aber werden diesen Einzelnen aufgefordert zum Kampfe gegen den grundsätzlich abgefallenen Staat, der als die „Mutter“ und später, V.7, als die „Lehrerin“ des Abfalls bezeichnet wird, die gänzlich jenes Band zerrissen, mit dem Gott einst am Sinai Jissroél mit sich vereinigt. Dieses Verhältnis Jissroéls zu Gott wird im Gottesworte in seiner ganzen Innigkeit stets unter dem Bilde von der Ehe gefaßt, also des Verhältnisses der Gattin zum Gatten, deshalb sind auch die Bezeichnungen des Treubruchs gegen Gott mit denen des Treubruchs in der Ehe deutlich. Hier: .נאפופיה ,זנוניהותסר וגו': Kämpfet, auf daß sie ihren Abfall nicht mehr als Höheziel im Auge haben und ihren Treubruch nicht mehr als Emanzipation vom Gesetze, als kostbare Errungenschaft „am Busen hege“. Denn die Rückkehr zu Gott und seinem Gesetze ist der einzige Weg zur Erhaltung des Staates und zur Rettung vor dem Exil.

 

V.5 פן אפשיטנה ערומה Wenn die israelitische Gesamtheit fortfährt, Selbständigkeit und Besitz, also die Güter, die ihr nur zur freien Erfüllung des Gottesgesetzes verlieh sind, vergöttert und zu einem Gott entfremdeten Leben zu missbrauchen, so bleibt Gott nur übrig, ihr denselben zu entziehen und sie in dieselbe Armut zurückzuwerfen, in der Jissroél sich am Tage seiner volksgeschichtlichen Geburt befand.

 

V.6 ואת בניה: ihrer Kinder, derer, sich als Kinder dieses grundsätzlich abgefallenen Gesamtheit begreifen, werde ich mich als meiner Kinder nicht erbarmen, כי בני זנונים הם, denn sie stehen ja auf dem Boden des grundsätzlichen Abkehr von Gott.

 

V.7 כי זנתה אמם וגו'. אמם ist zugleich הורתם. Indem ihre Mutter die Treue brach, hat sie, indem sie ihre Kinder in den Principien des Treubruchs erzog, dieselben ihren Hoffnungen getäuscht. – מאהבי, nicht: אוהבי. Der Piel bedeutet: die Liebe äußerlich bezeichnen.  Der Boden und die in ihm lebendigen und auf ihn wirkenden Naturkräfte sind diese „Liebe und Freundschaft betätigenden מאהבים“. Die herrschende Mehrzahl in Jissroél hatte diese Kräfte, die in Wahrheit nur den Willen Gottes vollstreckende Diener sind, in gottvergessenem Sinne für die Herren gehalten. Ihre Kinder waren unter dem Einfluße der Lehren herangewachsen, zum irdischen Glücke genüge es, in rationeller Weise den herrschenden Naturkräfte Rechnung zu tragen, und sie mit Fleiß und Ausdauer den eigenen Zwecke dienstbar zu machen, – dies ist das אחרי, Folge leisten, – auf ethische Momente, auf die Befolgung des göttlichen Willens komme es nicht an. Damit aber: הובישה, „hatten sie ihren Kindern schwerste Enttäuschung bereitet.“  In diesem ganzen Vorstellungskreise war die jüdische Fundamentalwahrheit vergessen worden, die das jüdische Volk und sein Geschick von den Daseinsbedingungen aller anderen Völker spezifisch scheidet. Das Dasein aller anderen Völker ist an den gemeinsamen Boden geknüpft, und erst aus dem nationalen Zusammenleben erwächst ihr Recht und ihr Gesetz. Deshalb hat ihr geschichtliches Dasein ein Ende, sobald sie den gemeinsamen Boden verlieren. Jissroéls Boden jedoch ist das Gottesgesetz. Durch dieses Gesetz ward des zum Volke in der Wüste, bevor es den nationalen Boden erhielt, ja dieses Land selbst erhielt es nur zu dem ausgesprochenen Zwecke der Erfüllung dieses Gesetzes. Deshalb war auch sein Volksdasein nicht an die Dauer seines Landesbesitzes geknüpft, und des bildet bis auf den heutigen Tag das einzig dastehende weltgeschichtliche Wunder der Forterhaltung eines unter alle Völker zerstreuten Volkes, nachdem es bereits Jahrtausenden den gemeinsamen Boden verloren. Dieser Verlust aber mußte eintreten, nachdem der Bodenbesitz und seine Güter als höchste Ziele vergöttert, das Gottesgesetz jedoch als lästig zu ihrer Erreichung und störend in ihrem Genusse verachtet worden war. Dieser Verlust selbst war zur Wiedergewinnung Jissroéls notwendig. Das hatten die damaligen „Aufgeklärten“ in Jissroél nicht erkannt, das war die verhängnisvolle Täuschung, die sie ihren Kindern bereiteten, und das ist der Gedanke, der im Folgenden ausgesprochen wird.  

 

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 241 -249  Kommentar zu Hosea Kap 2 V.1…) 

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