dinsdag 9 juli 2024

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH Aus seinem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Chukass

 


Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 – 1900)

 

הפטרת פרשת חקת

 

Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Chukass

 

Richter I, Kap. 11, Vers 1 und folgende

 Achtzehn Jahre schwerer Knechtung und Vergewaltigung waren über Jissroél hingezogen. Ganz so schwer,  wie der Verrat an Gott war, dessen  sich sie sich nach dem Heimgange des Gileaditen Jaïr schuldig gemacht hatten. Eine ganze Musterkarte von Göttern wird uns Richter 10,6 genannt, durch deren Dienst das damalige Jissroél seine „religiöse Bedürfnisse“ „befriedigte“, da ihm die Erfüllung des Gottesgesetzes zu lästig war. Da figurierte zunächst der Baal in seinen mannigfachen Gestalten und die Astarte, sodann die Götter von Aram, von Sidon, von Moab und von Ammon und von Philistäa. Es ist der verhängnissvolle Nachahmungstrieb und die mit völliger Verachtung des eigenen Volkstums stets gepaarte Vergötterung des Fremden weil es fremd ist, was als alter nationaler Fehler uns aus nebelgrauer Ferne entgegentritt. Da werden denn von den Völkern, an deren Götterkult sie soviel Freude gehabt, die Philistäer und vor allem die Ammoniter zu ihren Unterdrückern und Peiniger. In der Not wandten sie sich hülfesuchend an Gott, wurden jedoch zunächst an die von ihnen bis jetzt verehrten Götter verwiesen, bis sie dann in tiefer, aufrichtiger Reue (das. V 16 und 16) dem Fremden vollständig entsagten und zu Gott zurückkehrten. Damit war auch ihr Vertrauen und mit dem Vertrauen auch der Mut zurückgekehrt, und da die Ammoniter in Gilead lagerten, versammelte sich nunmehr Jissroél und lagerte in Mizpa. Damals ward vom Volke und von den Grossen in Gilead beschlossen, den Mann, der sie gegen die Ammoniter führen und den ersten Sieg erringen werde, zum Oberhaupt zu erheben. In diesem Augenblick versetzt uns die Haftora, nachdem sie zuvor die Antecendentien, die Lebensgeschichte dieses Mannes geschildert hat.

 V.30 u.31 וידר יפתה נדר Wir kommen hier zu den unseligen, frevelhaften Gelübde Jephtahs, dessen weiterer Verfolg außerhalb der Haftora liegt, dessen kurze Besprechung wir jedoch wegen der daran geknüpften widersinnigen und gehässigen Ausstreuungen nicht für unwichtig halten.

Das Gottesgesetz kennt kein größeres Verbrechen als Menschenmord. Schon den Noachiden ist’s ausgesprochen: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschenhand vergossen werden (1 B.M. 9,6). Wenn Gottes Wort in Jissroél den ganzen Greuel des Götzentums in seiner abschreckendsten Gestalt vor die Seele führen, wenn es zeigen will, wie er vielmehr den Menschen zur Bestie vertiere, so sagt es 5 B.M. 12, 30 u. 31: Hüte dich, daß du nicht ihren Göttern nachstrebt, zu sagen: Wie dienen diese Völker ihren Göttern, ich will ein gleiches tun! Tue nicht also Gott, deinem Gotte, denn alles was Gott verabscheut, was Er hasset, tun sie zu Ehren ihrer Götter, denn selbst ihre Söhne und Töchter verbrennen sie im Feuer ihren Göttern“ – Daß die Tötung des Menschen, also die Begehung des größten Verbrechens, angeblich zu Ehren Gottes, als angeblich gottedienstliche Handlung, das Verbrechen des Mordes zur entsetzlichsten Gotteshöhnung steigern würde, ist an sich klar. Daß die Gesetze Gottes ferner von keinem Menschen aufgehoben werden können, auch von keinem Wunder vollbringenden Propheten, ist ausdrückliche Vorschrift desselben Gesetzes. Daß sich demgemäß niemand  etwa durch ein Gelübde ein Verbrechen, wäre es auch die Übertretung des kleinsten Verbotes, zu einer erlaubten, geschweige denn gottgewollten oder gar gottesdienstlichen Handlung und Pflicht gestalten könne, ergibt sich unmittelbar daraus. Ferner ist es ebenso selbstverständlicher wie ausdrücklich ausgesprochener Grundsatz, daß niemand einen Gegenstand dem Heiligtume weihen könne, der ihm nicht gehört. Nun gibt es aber nichts, was also als höchstes Heiligtum dem Eigentums- und Verfügungsbereiche des Menschen entzogen ist, wie das Leben eines andern. Steht ihm doch über sein eignes Leben kein Recht zu; wohl aber ist’s ihm heilige Pflicht, auch das eigene Leben nicht zu verkürzen. Daher wird auch von den Weisen bei der Besprechung dieses Falles nach der eine Ansicht das ganze Gelübde für nichtig weil gegenstandlos erklärt, nach der anderen wäre in diesem Falle nur die Weihung eines bestimmten Geldbetrages unter dasselbe zu begreifen gewesen. Die buchstäbliche Ausführung aber, falls sie wirklich geschehen, war unter allen Umständen als entsetzlicher Mord verdammt. Siehe Taanith 4, a. Vergleich auch מ"ר חיי שרה und בחקותי Ende. Es gibt nun, a.a.O. Ansichten daß Jephta aus Unkenntnis des Gottesgesetzes das Schreckliche verübt habe, und deshalb von schwerer Heimsuchung getroffen worden sei. Ebenso sei auch der damals noch lebende Pineas, als höchste Autorität, der göttlichen Strafe verfallen, weil er es unterlassen, rechtzeitig aufklärend einzuschreiten und so den Mord zu verhindern. Wir hätten dann in diesem in „frommer Gesinnung“ verübten Morde nur eine Frucht der entsetzlichen Verwilderung und Entartung, die in der Eingangs zitierten Stelle des vorigen Kapitels geschildert wurde. Eine Vernichtung auch des Teuersten zu Ehren der Götter ist ja nach der heidnischen Vorstellung etwas durchaus Religiöses, und eine Vollbringung, wenn einmal den Göttern gelobt, verstand sich ja ganz von selbst. Das bedauernswerte Geschlecht war ja in Unkenntnis des göttlichen Gesetzes herangewachsen, „Gott aber verließen sie, und Ihm haben sie nicht gedient“ – schließt die oben angeführte Stelle. Rührend ist die Ergebung der unglücklichen Tochter und ergreifend  sind die Worte, mit denen sie von den unseliger Verblendung befangenen Vater zu trösten sucht. Wir hätten hier  ein krasses Stück Heidentum, wie es sich in seiner abschreckenden Gestalt darstellt, das von der damaligen vermeintlichen Aufklärung und dem damaligen Streben, sich mit den anderen Völkern zu vermischen, in das Judentum oder vielmehr in die Vorstellungen unwissender jüdischer Kreise hineingetragen worden war. Jene Unterstellungen, als seien in früheren Zeiten Menschenopfer auch vom Judentum gebilligt gewesen, zerfließen also im Lichte der geschichtlichen Tatsachen und der authentischen Quellentexte in nichts. Beiläufig erinnern wir hier noch an das Entsetzen, welches die Kön. II. 3,27 berichtete Tat des Moabiterkönigs Mescha bei den Juden hervorrief, der seinen Sohn opferte, und auf den der Gottesausspruch Jeremias 19,5: אשר לא צויתי „was Ich nicht geboten“, Taanith a.a.O., bezogen wird.

Übrigens wird diese Ansicht, die wir mit gutem Grunde zuerst besprochen haben, durchaus und mit vollem Rechte nicht von allen Commentatoren geteilt. Nach einer Erklärung wäre das ו des והעליתיהו עולה, wie nicht selten, ein distributives, soviel wie או, oder; vergl. .מכה אביו ואמו Das Gelübde wäre also von vornherein bedingungsweise ausgesprochen gewesen. Das aus dem Hause Heraustretende soll Gottes sein, d.h. soll seinem Werte nach, wofern es sich nicht zum Opfer eignet, den Heiligtumszwecken dienen, in anderen Falle aber: werde ich es als Emporopfer darbringen.

Eine unbefangene Betrachtung des Textes spricht ohnehin dafür daß das Wort nicht buchstäblich ausgeführt worden. Vielmehr läßt V.39, der berichtet, daß nach zwei Monate ihr Vater sein Gelübde an ihr vollzogen, welches er gelobt, und daß kein Mann ihr genaht sei und daß es zur Regel in Jissroél wurde, daß von Jahr zu Jahr vier Tage im Jahre die Töchter Jissroéls hinzogen, um mit Jephtas Tochter zu klagen – namentlich durch die Worte איש לא ידעה es als die natürliche Erklärung erscheinen, daß ein eheloses Leben in der Einsamkeit unter der Erfüllung dieser „Weihe an Gott“, diesem Opfer verstanden sei. Die Grundvorstellung  des Gelübdes bleibt dabei immer noch eine heidnische, ebenso der Gedanke, ass ein solches Leben der Ausdruck einer ausschließlichen Gotthörigkeit sei. Jüdisch dagegen ist der Aufschrei des verzweifelnden Vaters und die Klage der jüdischen Mädchen, die mit der Vereinsamten alljährlich deren verlorenes Leben beweinten. Es ist der jüdische Protest gegen die Vorstellung, die in der Weltflucht einen heiligen Gottesdienst erblickt und nicht vielmehr in der Bewahrung der Reinheit des in der Betätigung und Verwendung aller gottverliehenen Kräfte, der leiblichen wie der geistigen, in einem pflichtgetreuen, frischen und heiteren tatkräftigen Leben die eigentliche Gott dienende Lebensvollendung erblickt. Eine Anschauung, die nur in der Lehre von der Erhebung über die sittliche Unfreiheit, wie sie in der Reinheitslehre des ersten Kapitels der Sidra von der פרה אדמה gelehrt und gepflegt wird, ihre Wurzel und ihren daurnden Grund hat.

Die Haftora bricht freilich vor dem Schlusse des Kapitels ab, um nicht mit etwas Trüben zu enden. Der Gedanke an diesen Ausgang wird darum nicht minder lebhaft durch die Erwähnung des Gelübdes in die Seele gerufen. Sollten wirklich bloß die diplomatischen Verhandlungen mit den Ammonitern mit ihrer Bezugsnahme auf die Vorgänge die in der Sidra erzählt werden, das Bindeglied zwischen ihr und der Haftora bilden, so würde diese bereits mit V. 29 schließen, dem Beginn des Kampfes, des verhängnisvollen Gelübdes jedoch gar nicht erwähnen. 

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 268 -276  Kommentar zu Richter Kap 11 V.1…) 

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