Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH
(1833 – 1900)
הפטרת פרשת בלקק
Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Bolok
Micha Kap.5, Vers 6 und folgende
Kap. 5, V 6 f. והיה שארית יעקב וגו' Jakob, im Gegensatz zu Jissroél: das schwache, abhängige und unscheinbare. עמים: die Volksgesellschaften nach ihren inneren Verhältnissen, von עם, mit, bei, neben einander. גוים von גו, Körper: die je einer Nationalkörper bildenden, sich gegen einander mehr oder minder feindlich abschließenden Volkseinheiten. Nun heißt es hier: der nach so vielen Massenmorden aus seinen nationalen Katastrophen übrig bleibende Rest des schwachen, abhängigen, unter die Mitte der Völker zerstreuten Jakobsvolkes wird mit seiner Lehre von der Gotteskindschaft aller Menschen, von dem wahren, an keinerlei Racen- oder Standesbesonderheit geknüpften Menschenwerte, von der gegen ausnahmslos alle Menschen zu übenden Pflicht der Gerechtigkeit und Menschenliebe, von dem auf allem Unrecht ruhenden Unsegen und von der Vergänglichkeit aller nur auf Gewalt gegründeten Größe – er wird inmitten der sich diesen Wahrheiten erschließenden Völkergesellschaften wie Tau und wie befruchtenden Regen sein, der die Menschenwüste in eine Stätte des Aufblühens und Gedeihens umwandelt. Unscheinbar und von Gott gesandt wie Tau, אשר לא יקוה לאיש, wird es seine Heilessendung vollbringen, ohne Menschenbeistand zu Hülfe zu rufen, ולא ייחל לבני אדם: und ohne zu warten, daß es gerufen werde.
V.7. והיה
שארית יעקב בגוים : als Träger, dieser selbigen
Wahrheiten aber, die es
schon durch sein bloßes Dasein verkündet, wird dieses unscheinbare,
unter alle Völker zerstreute, trotz des Mangels an jedem äußeren Zusammenhalte
dennoch als Volk unvergängliche Jakob unter den machtvergötternden, sich
gegeneinander und gegen diese ewigen Wahrheiten feindlich abschließenden
Nationen – siegesgewaltig stark sein, wie der Löwe unter den Tieren des Waldes.
Die göttliche Lehre von dem gleichen Rechte und der alle Menschen umfassenden
Liebe ist der Granitfelsen, an dem die Wogen aller gewaltvergötternden Völker
machtlos sich brechen. Es kommt die Zeit wo:
V. 8 תרום ידך וגו', wo dieser Sieg des „Überrestes Jakobs“ aller Augen sichtbar sich verwirklichen wird, und wo seine Gegner schwinden.
V. 9-13.
Doch nicht durch äußere Machtmittel wird Jissroél dieser Sieg. Solange es eine
selbständige staatliche Größe war, hat auch es freilich in der Zahl und Größe
seiner Städte und Festungen, in seiner Kriegsmacht und in den naturbändigenden
Geheimkünsten, כשפים, seine Macht und
seine Größe erblickt. Alles das, spricht Gott, wird es aber zu jener Zeit
längst durch Gottes Fügung eingebüßt haben –: „Ich werde vernichtet haben“ –
lautet der sich stets wiederholenden Refrain.
V.14 Dieses Scherbengeschick der jüdischen Machtherrlichkeit hätte aber für die Völker eine Warnung sein, aus dem Zusammenbruch des jüdischen Staates hätten sie den Posaunenruf des auch ihnen drohenden Gottesgerichtes vernehmen und verstehen sollen: deshalb ועשיתי באף ובחמה וגו', trifft sie der volle Unwille Gottes, weil sie diese Stimme nicht beherzigt haben.
Kap.6, V.1 שמעו נא „höret doch“, bezieht sich auf die eben erwähnten Völker, die aufgefordert werden, das Mahnwort Gottes an Jissroél zu hören und durch seine Beherzigung ihre eigene Zukunft zu sichern.
V.2. Jissroél wird durch die Bezeichnungen: הרים ואתנים מוסדי ארץ an seine ideale Bestimmung erinnert, der Menschheit das Gottesbewußtsein und die Erkenntnis der Menschenbestimmung zu bringen. Durch den nicht ungewöhnlichen Tropus der Übertragung der Wirkung auf den Wirkenden wird das ideale Jissroél als מוסדי ארץ , als die eigentliche Grundlage der Gestaltung des Menschenheiles bezeichnet.
……………..
V.6 f. Und angesichts dieser Tatsachen fragst du: במה אקדם וגו'. In diesen Fragen spricht sich geradezu die weitverbreitete heidnische Anschauung aus, die Gott durch „Opfer“ „versöhnen“ und durch Preisgebung des Teuersten sein Wohlgefallen gewinnen zu können glaubt oder zu glauben vorgibt.
V.8.
Diese heuchlerische Frage zürnt das Donnerwort des Propheten entgegen: הגיד,
du kannst nicht in Zweifel sein, klar und bestimmt hat Gott dir ausgesprochen,
wörtlich: vor Augen, gegenübergestellt, „was er von dir will“. Der ganze große
Inhalt des Gottesgesetzes ist in dem Worte אדם:
Mensch gegeben, das hier nicht bloß als Anrede, sondern als Ziel und Gestalt
des in Gesetzeswort gefaßten Gotteswillen ausgesprochen ist. Verwirklichung des
Menschenideals, Vollendung des reinen Menschentums wird damit als Erzeugnis der
Ausführung des Gesetzes dahingestellt. Die Summe der Gesetze sind das טוב,
das für den Menschen „Gute“, sie bestimmen die Weise, wie er einer jeden von
den mannigfachen Verhältnissen des Lebens an ihn gestellten Aufgabe gerecht
werde. Die Verwirklichung dieses „Guten“ wird unter die drei Kategorien gefaßt:
Übung des Rechtes, Liebe der Hingebung und die Gestaltung des eigenen Wandels
nach den Geboten der Reinheit, des „steten Wandels mit Gott“ – jenes: משפטיםund מצות, dieses: die חקים,
jenes die Pflichten zwischen Mensch und Mensch, dieses im engeren Sinne, die
zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Das עשות משפט,
das Vollbringen des Rechtes, findet seine Verkörperung in Moses, in dessen
Charakter das Rechtsgefühl den Grundton bildete – es sei an die Tötung des
Egypters, an sein Verhalten bei dem Brunnen in Midjan erinnert. Heilighaltung
des Rechtes bildet ja auch die Grundlage des Gesetzes, dessen Überbringer er
war. Wohlverstanden: des Rechtes anderer. Denn was das eigene Recht betrifft,
so könnte nach den Worten der Weisen die Welt nicht bestehen, wollte jeder
streng und starr auf seinem Recht bestehen. Wie aber das עשות משפט
auf unseren Führer Mosche zurückweist, so die „Liebe der Liebeshingebung“ auf Aharon,
und die Wahrung der Keuschheit und Reinheit der Gesinnung auf Mirjam, wie dies oben zu Vers 4 bemerkt ist.
(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 276- 280 Kommentar zu Micha Kap 5 V.6…)
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