dinsdag 14 mei 2024

Rabbiner Samson Raphael HIRSCH Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Kedauschim

 


Rabbiner Samson Raphael HIRSCH

                              (1808-1888)

 

קדושים

 

 

Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Kedauschim

 

III, Kap. 19, V.10 und deinem Weinberg die unfertigen Trauben nicht entnehmen und den Beerenabfall deines Weinberges nicht auflesen; dem Armen und dem Fremden sollst du sie lassen; Ich, Gott, euer Gott.

 

III, Kap. 19, V.10 … … Mit den Fundamentalsätzen der Familie und des Individuums, mit כבוד אב ואם und שבת beginnt diese Grundlegung des zur Lebensheiligung, und der Fundamentalsatz der sozialen Gesellschaft, der jüdische צדקה-Begriff, das Liebesrecht und die Liebespflicht ist der Schlussstein dieses Grundes. Bedeutsam ist dieses soziale Fundament in einer Gruppe mit dem „gottesdienstlichen“ שלמים- und פגול-Gesetze verwoben. Auf den Boden des von Gott getragenen jüdischen Lebens sind das sogenannte Religiöse und das Soziale keine Gegensätze, sind nicht einmal verschiedene nebeneinander geordnete Teile eines höheren Ganzen, gehören vielmehr in wesentlicher, organischer Einheit zusammen, wie Wurzel und Baum, wie Blüte und Frucht. אוהב את המקום אוהב את הבריות spricht die jüdische Wahrheit, in dem Zuge zu Gott ist der Zug Seiner Menschheit mit eingeschlossen, auf demselben Fundament, in welchem die reine שלמים-Freude des von Gott gewährten Glückes wurzelt, wurzelt auch die Recht- und Liebespflicht für das Glück des Nächsten.

11. Nicht  sollt ihr stehlen, und ihr sollt nicht leugnen und ihr sollt nicht lügen einer wider den anderen.

12. Und ihr sollt nicht schwören bei meinem Namen zur Lüge; du würdest den Namen deines Gottes entweihen, ich Gott

VV. 11 u. 12 Im Anschluss an die in dem vorigen Verse gegebene soziale Grundlegung folgen nun einige Sätze aus dem sozialen Katechismus des Gott heiligen Volkes. לא תגנבו, לא תכחשו, לא תשקרו, לא תשבעו sind – im Gegensatz zu dem folgenden לא תעשוק u.s.w. – in der Mehrheitsanrede gefasst und charakterisiert sich eben darin der Begriff ihrer Bedeutung. לא תגנוב , לא תכחש, לא תשקר, לא תשבע בשם ד' לשקר wäre wie im Dekalog an den einzelnen gerichtet und spräche von Verbrechen des Diebstahls, der Lüge und des Meineides, dessen Unterlassung sicherlich nicht erst in das Kapitel der קדושה, in das Kapitel sozialer Heiligung gehörte. Man ist noch sehr wenig von einem קדוש, wenn man nur kein Dieb und kein Meineidiger ist. Allein an die Pluralität der nationalen Gesamtheit gerichtet, kann es auch gar diese groben Verbrechen im Auge haben, die ja nie, nicht nur von allen, nicht einmal von einer großen Mehrheit einer Nation geübt werden, ja geübt werden können, die in jeder Volksgesellschaft nur vereinzelte Erscheinungen bilden, zu deren Unterdrückung von selbst sich die Gesamtheit als Staat wappnet. Vielmehr ist hier von solcher גנבה, solchem שקר, solcher שבועת שקר, von solcher Unrechtlichkeit, Unaufrichtigkeit und Schwurgeläufigkeit die Rede, die allerdings den ganzen Geschäfts- und Gesellschaftsverkehr einer Nation so durchdringen, ja so zum herrschenden Nationalcharakter werden können, daß sie, weil allgemein geübt, das Brandmal entehrender Schlechtigkeit verlieren, ja zu einer preis- und ruhmwürdigen Kunst erhoben werden – und doch vor Gott ebenso wie der gemeine Diebstahl, die gemeine Lüge, der gemeine Meineid verworfen bleiben. Vor ihnen warnt hier das sein Volk heiligende Gotteswort. In seinem Geschäfts- und Gesellschaftsverkehr:

לא תגנבו, soll „unrechtmäßigen Vorteil erhaschende Schlauheit“ nicht die Parole sein – denn das ist der Begriff von גניבה in weiterem Sinne. Verwandt mit כנף: verhüllen, sind Heimlichkeit und Rechtswidrigkeit ihre wesentlichen Merkmale. Wo daher Schlauheit, dem anderen unbewusst, einen ihm zukommenden Wert auch nur eine Peruta, etwa eines Hellers, entzieht und sich zuwendet, da ist vor Gott ein Diebstahl geschehen und sein לא תגנבו gebrochen. Ja, es erläutert das Wort der Weisen z.St. in ת"כ: לא תגנבו על מנת למקט לא תגנבו על מנת לשלם כפל ולא על מנת לשלם ד' וה' בן בג בג אומר לא תגנוב את שלך מאחר הגנב שלא תראה גונב, d.i. selbst nicht zum Scherz, aus Neckerei, sollen wir uns eine Entwendung erlauben, selbst nicht, um den Bestohlenen dadurch den doppelten, vier- und fünffachen Ersatzvorteil zukommen zu lassen, sollen selbst nicht unser eigenes und entwendete Eigentum durch heimliche Entwendung wieder an uns bringen, um auch den Schein einer גניבה zu meiden, oder wie es in Beziehung auf Scherz- und Neckereidiebstahl im ח"מ heißt: הכל אסור כדי שלא ירגיל עצמו בכך, der rechtschaffene Jude übt sich nicht in Diebesschlauheit.

Und wie aus dem Geschäftsverkehr, so bannt Gottes Wort: לא תגנבו auch aus dem Gesellschaftsverkehr jede Schlauheit, jede auf גניבת דעת, auf „Meinungs- und Gesinnungsdiebstahl“ berechnete Täuschung. Der rechtschaffene Jude erwirbt sich das Herz und die gute Gesinnung seiner Mitmenschen, aber er „stiehlt“ sie ihnen nicht. Jede Handlung, jede Äußerung, durch welche wir andere in einem höheren Grade als wir in Wirklichkeit verdienen uns geneigt und dankbar machen, ist als גניבת דעת verwerflich. (Chulin 94).

ולא תכחשו ולא תשקרו איש בעמיתו. כַחֵש ist das Leugnen einer uns gegenüber behaupteten Wahrheit. Verwandt mit כעס,כעש , dem Empörtwerden über ein wahrgenommenes Unrecht, heißt כחש im Piel eben ein solches Empörtwerden bei dem andern durch Leugnen hervorrufen. Auch לא תכחשו regelt ebenso sehr unsere Aufrichtigkeit im Geschäfts- wie im Gesellschaftsverkehr. Nicht durch Rücksicht auf unser Interesse sollen hier wie dort unsere Äußerungen geleitet werden. Im Geschäft wie in der Gesellschaft soll jeder uns zur Steuer der Wahrheit aufrufen können und des Zugeständnisses des Wahren selbst zu unserem eigenen Nachteil im voraus sicher sein.

שקֵר Lügen, umfasst nun das ganze große Gebiet der Lüge, die aus dem Geschäfts- und dem Gesellschaftsverkehr die Wahrheit, die Erkenntnis der Dinge und Verhältnisse wie sie sind, diese Grundbasis alles Wohles und aller Pflichttreue verscheucht und das Wort, dieses Unterpfand der göttlichen Menschenwürde, der göttlichen Menschenbestimmung, das Zaubermittel alles sozialen Heileswirkens, in sein Gegenteil, in ein Werkzeug des Unheils und des Verbrechens verkehrt. כחש ist der Wahrheitsraub, שַקֵר der Wahrheitsdiebstahl, und so gewiss wie die Erkenntnis der Wahrheit für die sittliche Aufgabe und das Heil eines jeden ein unvergleichlich höhere und folgenreichere Bedeutung hat als der Wert, der sich an den Besitz eines materiellen Gutes knüpft, so gewiss ist der Wahrheitsdiebstahl ein noch weit verderblicheres Verbrechen als der Sachendiebstahl. Schmeichler, die dem Nächsten die wichtigste Wahrheit, die Wahrheit der Selbsterkenntnis stehlen, Heuchler, die ihr ganzes Selbst zu einer großen Lüge falschmünzen, gehören zu den verwerflichsten Kategorien der durch לא תשקרו aus dem jüdischen Gesellschaftsverkehr gebannt sein sollenden Charaktere. Wie ferner אמת nicht nur die logische, sondern auch die praktische Wahrheit: die Treue bedeutet, so heißt auch שקר die Untreue, die Nichterfüllung eines gegebenen Wortes, בנים לא ישקרו (Jes. 63,8) und sonst, und לא תשקרו איש בעמיתו umfasst auch die Warnung: täuscht nicht durch leere Versprechungen, haltet Wort einer dem anderen.

Endlich ולא תשבעו בשמי לשקר: missbraucht nicht die Berufung auf meine zwischen Mensch und Mensch richtende Gegenwart zur Bestätigung der Lüge – alle diese Verbote sind implizite zugleich die אזהרות, die warnende Verbote der bereits anderweitig in ihren Straffolgen besprochenen gemeinen Verbrechen des Diebstahls, des Ableugnens und des Meineides. Allein sie sind in der Pluralanrede an die Gesamtnation in allen Gliedern gerichtet, um auch diejenige Unredlichkeit, Unwahrhaftigkeit, Unwahrheit, Unzuverlässigkeit, und so auch denjenigen Schwurmissbrauch in das warnende Verbot mitzufassen, die, weit über die Einzelerscheinungen gemeinverbrecherischer Handlung hinausgehend, so Sitte und Übung einer nationalen Gesamtheit werden können, daß mit ihrer allgemeinen Verbreitung das Bewusstsein ihres den heiligen Menschencharakter schändenden Unrechts schwindet – darum schliessen diese Sätze, die bis dahin an die Volksgemeinde als עם, als Gesellschaft in allen ihren Gliedern nach innen gerichtet waren, indem sie nun die Volksgemeinschaft als גוי, als Einheit nach außen zusammenfasst, und zu dem jüdischen Volk unter Völkern spricht: וחללת את שם אלהיך, als Träger Seines Namens hat dich Gott in die Mitte der Völker gesendet, als Sein, als Gottesvolk sollst du den Völkern das Muster einer von Gott auf Recht und Wahrheit und Treue gebauten Gemeinschaft vor Augen führen. Wenn du dich mit Unredlichkeit, Unwahrheit, Unzuverlässigkeit und meineindigem Schwurleichtsinn befleckest, so entweihst du den Namen, den du trägst, so tötest du die Gottesanerkennung, deren Herold und  Tatenpriester du sein sollst.

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