Rabbiner Samson Raphael HIRSCH
(1808-1888)
Aus seinem Kommentar zur Wochenabschnitt Emaur
Kap.21, V.5 Sie sollen keine Glatzstelle auf ihren Kopf machen und die Ecke ihres Bartes nicht abscheren, und an ihren Leib sollen sie keine Verwundung machen.
Kap.21, V.5 …Antikes und modernes Heidentum setzt so gern Religion und Religiöses mit dem Tode und dem Todesgedanken zusammen. Erst wo der Mensch endet, beginnt ihnen das Reich Gottes, Tod und Sterben sind ihnen die eigentlichen Manifestationen ihrer Gottheit, die ihnen ein Gott des Todes ist und nicht des Lebens, ein Gott, der tötet und nicht der belebt, und der Tod und dessen Vorboten, Krankheit und Elend sendet, auf daß die Menschen ihn fürchten, seiner Macht und ihre Ohnmacht inne werden. Ihrer Tempel geweihte Stätten sind daher bei Gräbern, ihre Priester erst Stelle ist daher bei Leichen, wo Augen brechen und Herzen gebrochen sind ist ihrer religiöser Aussaat willkommenster Acker, und ein Zeichen des Todes, ein Symbol der alles Leben bewältigenden Todesmacht an seinem eigenen Fleische immer gegenwärtig haben und gegenwärtig hatten dürfte als das Religiöse par excellence gelten und vor allem als des Priesters und seines Amtes wesentliches Attribut erscheinen.
Nicht also der jüdische Priester, weil nicht also die jüdische Gotteslehre, die jüdische Religion. Der Gott, dessen Name dem Priester im jüdischen Volke seine Stelle anweist, ist ein Gott des Lebens, die freimachende, belebende, den Menschen zum freien Wollen und zum ewigen Sein emporrichtende Macht des Lebens, nicht die Kraft und Leben brechende Gewalt des Todes, ist seine erhabenste Manifestation. Nicht wie man sterbe, sondern wie man zu leben habe und lebend schon den Tod, den Tod des Lebens, die Unfreiheit, die physische Gebundenheit und sinnliche Schwäche siegreich zu überwinden, jeden Augenblick des sittlich freien, denkenden, wollenden, schaffenden und vollbringenden und auch genießenden hieniedigen Lebens als Moment des eigenen ewigen und ewig Gott dienenden Lebens zu verleben habe, das ist die Lehre, als deren Stätte Gott sein Heiligtum geweiht und für deren Dienst er die כהנים, die Pfleger der „Lebensbasis – und „Richtung“ (כון = כהן)im Volke geheiligt.
…
V.15 und
soll seine Nachkommen nicht zu Entweihten machen unter seinen Volksgenossen;
denn Ich, Gott, heilige ihn.
Kap. 21, 15
…Ein חלל
hat ganz den Charakter eines זר, eines Nichtkohen, und steht zu dem Tempel und zu
allen Heiligtümern, inner- und außerhalb des Tempels, בין קדשי מזבח בין קדשי גבול,
also auch zu תרומה,
nur wie ein jeder Nichtkohen aus dem Volke. Der Kohen selbst aber, der durch
seine gesetzwidrige Heirat seinen dieser Heirat entsprungenen Sohn von der
Geburt an zum חלל
gemacht, wird selbst kein חלל,
behält den Priestercharakter (Kiduschin 77a). Er darf, so lange er nicht durch
unlösbares Gelübde, ידירנה הנאה על דעת רבים, sich die Trennung der Ehe zu einer Unumgänglichkeit
gemacht, keine עבודה
vollziehen (Bechoroth 45b), wie denn überhaupt ein כהן nur solange כהונה-berechtigt
ist, als er mit Geist und Gesinnung den Priesterberuf angehört, כל כהן שאינו מודה בעבודה אין לו חלק בכהונה, (Menachoth 18b – siehe zu Kap. 7,33); allein, wie
das jüdische Priestertum kein frei gewählter Beruf, sondern eine von Gott
gesetzte mit der Geburt erlangte Lebensbestimmung und Aufgabe ist; so kann die
Würdigkeit und die dadurch bedingte Fähigkeit zu deren Erfüllung wohl
zeitweilig cessieren, aber nimmer kann sie verloren gehen, immer gehört die
Beseitigung der zeitweiligen Unwürdigkeit und der מזרע
אהרן rein geborene כהן
kann nie aufhören, seiner Bestimmung nach כהן zu sein. (Nur ein כהן
שעבר ע"ז bleibt פסול לעבודה
Menachoth 109a – vergl. zu V.1). Ganz so kann auch das Menschheitspriestertum,
das Judentum, für den als Jude Geborenen nie und nimmer nach Bestimmung und
Aufgabe verloren gehen. Wie es keine Religion der freien Wahl, sondern eine mit
der Geburt von Gott erteilte Lebensbestimmung ist, so kann sich dieser
Bestimmung und deren Konsequenzen kein im Judentum Geborener je entschlagen; אע"פ שחטא ישראל הוא.
Er kann in Geist, Gesinnung und Lebenswandel sich dieser Bestimmung entfremden,
kann ihr in vollendeter Untreue den Rücken kehren, kann in dieser Entfremdung
die Würdigkeit und Fähigkeit zur Vollziehung solcher Akte verlieren, die den an
Geist, Gesinnung und Wandel treuer Jude voraussetzen; allein nie wird Rückkehr
zur jüdischen Wahrheit und
Treue im Geist, Gesinnung und Wandel aufhören, die allererste Aufgabe seiner
von Gott ihm unverlierbar erteilten Lebensbestimmung zu bleiben.
Kap. 22, 23 Und Ochs und Lamm mit einem zu großen Glied oder einem
Klumpfusse, ein solches kannst du wohl zu einer Weihegabe machen, aber als
Gelobung soll es nicht zum Willensausdruck dienen.
Kap. 22, 23 …Wo in den Psalmen und in den Propheten die zeitgenössischen Opferdarbringungen getadelt werden, da wird nirgends das Opfer an sich, sondern die missbräuchliche Auffassung desselben gerügt, die in dem Opfer ein opus operatum erblickt und vergisst, daß Opfer nur dann Wert haben, wenn sie nicht Pflichttreue ersetzen, sondern die erneute Einleitung eines pflichtgetreuen Lebens sein sollen, daß aber זבח רשעים, die für ihren Frevel gegen das göttliche Gesetz sich durch Opfer mit Gott abfinden wollen, תועבה ist. Es ist dies ein Tadel, der in ganz gleichem Ernst und ganz gleicher Schwere auch Beten und Festtagsfeier (siehe Jesajas 1) trifft, wenn diese ein pflichtgetreues Leben ersetzen und nicht vielmehr fördern sollen. Der Psalmist und der Prophet würde in ganz gleicher Weise sein zürnendes Wort den Stab über den Gottesdienst so mancher heutigen synagogalen Kreise brechen lassen. Daher finden wir auch an anderen Stellen נדרים mit Opfern verbunden: ויזבחו זבח לד' וידרו נדרים (Jona 1,16) ועבדו זבח ומנחה ונדרו נדר לד' ושלמו (Jes. 19,21), und offenbar sind da Gelübde und deren Erfüllung nicht Ursache, sondern Folgen der Opfer: es sind die beim Opfer gefassten Vorsätze.
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