Rabbiner Samson
Raphael HIRSCH
(1808-1888)
צו
Auszüge aus dem Kommentar zur
Wochenabschnitt ZAW
Kap. 6,
V5: Das Feuer aber soll für den Altar auf ihm angezündet werden, soll nicht
ausgehen; es legt darauf der Priester am frühen Morgen Hölzer zum Brennen,
ordnet darauf das Emporopfer und läβt auf diesem die Fetteile der Friedensopfer
aufdampfen.
Kap. 6 V. 5 … Es gibt nur ein Opfer, das dem Schlussopfer
des Tages nachzufolgen hat, das Pessach (Pessachim 59a), jenes Opfer, mit
welchem alljährlich die Nation wieder in die angstvoll des Ausgangs harrende
Geburtsstunde ihres nationalen Daseins zurücktritt, und mit der von allen ihren
Gliedern vereint zu vollziehenden Pessachhingebung der Nacht entgegen zu gehen
hat, in welcher Tod und Knechtschaft oder Leben und Freiheit sich über ihren
Häuptern entschied und – der ewig neu zu weckenden Hingebung harrend –
entscheidet.
V.15:
Der Priester, der an seine Stelle von seinen Söhnen gesalbt wird, soll es
vollbringen. Als ein ewiger Tribut soll es Gott ganz dem Aufdampfen übergeben
werden.
V. 15 חק
עולם ...: Die Form חק
kommt vorzugsweise nicht als Gesetz, sondern als das als Gebühr zu Leistende
vor. So: 1 B.M. 47,22; 2 B.M. 10, 13 u. 14; Prov. 30,8 Wir glauben es daher
auch hier in diesem Sinne auffassen zu müssen. Die שירי מנחות ישראל, sowie alle anderenמתנות כהונה sind dem Aharonstamme als חק
überwiesen. Im מנחת כהן המשיח gelangen dieselben
im huldigenden Ausdruck Gott wieder zurück.
חק
עולם, auch לחם הפנים
wird Kap 24,9 חק עולם
genannt, und hält Menachoth 76a die Halacha an dieser Gleichstellung der
Bestimmung fest, daß auch הביתי כה"ג wie das =לחם הפניםBrot auf dem nationalen Wohlstand unter Gottes
Angesicht stellenden Tisch in zwölf Broten dargestellt worden. Mit dieser
Zwölfzahl der חביתים-Brote
ist diesen daher einer dm לחם הפנים ähnliche nationale Beziehung gegeben. – … Wohl dürfte dieses alles dem Priester
fortwährend den Gedanken zur Beherzigung und Betätigung nahe legen solle, daß
er seines Amtes nicht ein der damit verbunden materiellen Vorteile willen
warten, sondern den Genuss dieser Vorteile selbst als eine nur für seine
Existenz nicht zu umgehende Notwendigkeit, ganz in die göttlichen Zwecke seines
Amtes aufgehen lassen solle. War doch
dem jüdischen Priester sein Dienst der einzige Boden seiner Existenz;
gleichwohl sollte er nicht seinen Dienst in seine Existenz, sondern seine
Existenz in seinen Dienst aufgehen lassen. כל
מנחת כהן כליל תהיה לא תאכל!
Jeder im Volke hat sein ganzes materielles Gut Gott „zu Füssen zu legen“ und
dem Heiligtum seines Gesetzes den vollen „Herausgriff“ nach göttlicher
Bestimmung zur Nahrung des Göttlichen auf Erden zu gestatten, und eben diese
Mitverwendung seiner Hebe auch für das Gottesheiligtum macht den Mann zum jüdischen
Mann, stellt auch seine materielle Existenz unter göttliche Gedächtnisobhut und
lässt auch seine Freude am Dasein in das göttliche Wohlgefallen an ihm
aufgehen. Allein des Priesters ganze Existenz, auch mit der ganzen materiellen
Seite seines Daseins und Wohlseins geht auf in den Dienst des Göttlichen auf
Erden; er soll, durch die Mustergültigkeit seines ganzen Wandels auch außer dem
Heiligtum – wie dies noch ganz besonders in den besonderen Gesetzen für den
Priesterwandel (Kap.21) hervorleuchtet – dem Heiligen eine „Stätte bereiten“ im
Leben des Volkes, wie sein Name „Kohen“ aussagt; es soll nichts an ihm
unpriesterlich sein; und wenn er daher den Ausdruck seiner „Nahrung“, seines
„Wohlstandes“ und seines „Wohlbehagens“ mit dem Mincha ins Heiligtum trägt, so
kommt davon nicht nur ein „Gedenkteil“ auf Gottes Altar, es geht ganz auf in
das Feuer des Göttlichen auf Erden. –
…Es ist die Nation, die ihren Hohenpriester
veranlasst, seine חביתין in so reicher Bereitung darzustellen, wie ja auch in
Wirklichkeit der Nation anempfohlen ist: גדלהו
משל אחיו (Kap. 21,10), ihren
Hohepriester auch in den äußeren Erscheinung, seiner Existenz der Nation würdig
hervortreten zu lassen. Wenn, wie die Blätter unserer Geschicke uns lehren,
aller Verfall von jeher durch die Entartung der höheren Schichten der
Gesellschaft hervorgerufen wurde, und wenn, wie die ganze Stellung des jüdischen Priesters und des jüdischen
Hohenpriesters, der ja ein Weib haben und ein „Haus“ milden musste, insbesondere
beweist, Priester und Hohepriester durch die Mustergültigkeit ihrer
Häuslichkeit einen sittigenden und veredelnden Einfluss auf die Nation üben und
darum mitten im Verkehr des Volkes leben sollten; so begreifen wir, wie es die
Absicht des Gesetzes sein konnte, daß sein Hohepriester durch eine ihm zu
schaffende begüterte Existenz mit seiner Häuslichkeit, der Erziehung und
Bildung seiner Kinder, mit dem ganzen Tenor seiner bürgerlichen Lebens sich den
begüterten Kreisen der Volksgesellschaft anschließen und den stillen und doch
so mächtigen Einfluss eines mustergültigen Beispiels da üben möge, wo der
Schwerpunkt des nationalen Sittenlebens zu liegen pflegt. Eine Absicht, an
deren Erfüllung ihn sehr wohl sein reiches חביתין-Mincho morgens und abends mahnen mochte. … .
Kap. 7V.18
Und wenn von dem Fleische seines
Friedensopfermahls am dritten Tage gegessen werden soll, so wird darin nicht
ein Entsprechen des göttlichen Willens für den, der es nahebringt, erklärt, es
wird ihm nicht gedacht, ein Verworfenes soll es sein; die Person, welche davon
ißt, wird ihre Sünde tragen.
Kap. 7 V. 18 … So ist der Abfall vom
Judentum, der dem Gesetzesheiligtum den Rücken kehrt, nicht das Verderblichste
für das jüdische Heiligtum; da erst droht dem Heiligtum Verderben, wenn man den
Abfall im Heiligtum trägt, die Willkür im Bereich des Heiligtums selber
sanktioniert, trotz Umwandlung des Heiligtums in sein Gegenteil doch auf den
Boden des Heiligtums zu verharren vorgibt, und das Heiligtum selber die
Sanktionierung seines Gegenteils vollziehen lassen will. Das ist פגול,
und darum ist es auch nur dann פגול wenn קרב המתיר כמצותו, wenn alles sonst normal geblieben, wenn keine
sonstige Abnormalität schon das Opfer als verfehlt, als פסול erscheinen läβt, und so
das Zerreißen des Opferheiligtums in seinem lebenbedingendsten Momenten in ganz
normalen Vorgange sanktioniert erscheinen würde.