vrijdag 8 november 2024

Rabbiner Dr. Salomon BREUER Belehrung und Mahnung zur Wochenabschnitt Nauach (Auszug)


 Rabbiner Dr. Salomon BREUER

                (1850 – 1926)

 

נח

 

 

Belehrung und Mahnung zur Wochenabschnitt Nauach (Auszug)

Einem solchen allgemein herrschenden, üppig blühenden רשעות sah sich zum ersten Male in der Geschichte Nauach, der Held unserer Sidra, gegenüber: את האלקים התהלך נח allein bei seinem Gott ausharrend, sein צדקות und תמימות sich erhaltend! Wer will es ermessen, was ein Nauach, der einzige Träger des אמת inmitten einer großen Welt, in der חמס zur unumschränkten Herrschaft gelangt war, zu leiden, zu erdulden hatte! Zu dem Satz כי אותך ראיתי צדיק לפני בדור הזה „denn dich habe ich gerecht gesehen vor mir in diesem Geschlecht“ (7,1) fügen die Weisen den Psalmvers kommentierend hinzu: ה' צדיק יבחן „Gott prüft den Gerechten“ (Ps.11,5). – Der Gedanke dürfte klar sein. „צדיק לפני“ Es kann wohl jemand in den Auge, der Menschen als צדיק dastehen, ohne es vor Gott zu sein; daß aber jemand vor Gott ein צדיק sei, aber nicht vor Menschen, das, sollte man meinen, sei unmöglich. In einer gleich dem דור המבול entarteten Zeit ist es jedoch wohl möglich. Wo alles entartet ist, alles der Gewalt und dem Unrecht huldigt, für das Recht und Wahre jeden Sinn verloren hat, da wird das Recht und die Wahrheit, von einem einzigen vertreten, als Narretei und Blödsinn verachtet und verspottet. Unter lauter Lahmen wird der eine noch Gesunde als Krüppel belächelt! כי אותך ראיתי צדיק לפני בדור הזה „Nur vor mir sah ich dich als צדיק in diesem Zeitalter!“ Als ein solcher צדיק לפני zu leben, ist aber das denkbar größte נסיון, die denkbar größte Prüfung – daher der Hinweis auf jene Psalmstelle: „Gott prüft den Gerechten.“ –

Wenn daher das Gotteswort sich anschickt, mit אלה תולדת נח die Geschichte von dem endlichen Sieg des אמת und den Untergang des שקר zu schildern, da kann es Nauachs Namen nicht erwähnen, ohne – זכר צדיק לברכה – seines צדקות zu gedenken, das sich denn doch לברכה bewährt hat. Wie sinnig erinnern da die Weisen (מ"ר) an den Mischlevers (14,11): בית רשעים ישמד  „Das Haus des Gesetzlosen wird vernichtet, זה דור המבול das gelte von dem -מבול Geschlecht; ואהלי ישרים יפריח „aber das Zelt der Geraden wird Blüten treiben“, זה נח das gelte von Nauach. רשעים gründen oft scheinbar feste Häuser, doch schließlich fallen sie der Vernichtung anheim; während dem unscheinbaren, schlichten, vom Sturm bewegten Zelt der צדיקים dauernde Blüte beschieden ist. –

Doch diese die Menschheit erziehende Gotteswaltung, wie sie hier zum ersten Male sich zeigte, sollte in der Folge erst recht in ihrer ganzen Heileswirkung sich bewähren. עשרה דורות מאדם עד נח להודיע כמה ארך אפים לפני Die zehn Geschlechter, die von Adam bis Nauach trotz zunehmender Entartung sich erhalten konnten, bezeugen Gottes unendliche Langmut, die nicht sogleich mit dem ganzen Ausmaß gerechter Strafwaltung Menschen heimsucht, sondern nichts unversucht läßt, was sie zur Selbstbesinnung und Pflichttreue zurückzurufen geeignet wäre. Als Paradies lächelte ursprünglich die Erde dem ersten Menschen und spendete ihm den ganzen Reichtum seines Segens, solange er sich auf der Höhe seiner Bestimmung zu erhalten verstand. Doch da er seine Bestimmung untreu geworden, verhängte die Gottesstrafe ארורה האדמה בעבורך בעצבון תאכלנה den Fluch über die Erde: „Deinethalben trifft die Erde der Fluch, nur mit Entsagung wirst du sie fortan genießen können.“ בעבורך Deinethalben, d.h. zum Zweck deiner Besserung und Erziehung trifft die Erde der Unsegen, wird sie in ihrer ursprünglichen Entwicklung gehemmt, damit die dadurch bewirkte Entsagung, das עצבון, dich zur Pflichttreue zurückbringe. Doch dieser erste Schlag, der die Erde traf, hat den damit beabsichtigten Erziehungszweck nur in ganz vereinzelten Fällen erreicht. כמה ארך אפים לפני Aber vor Gottes Angesicht waltet gar viel Langmut. –

Das עצבון, das durch den ersten über die Erde gekommenen Unsegen erzeugt wurde, war immer noch viel zu gering, die Erde blieb immer noch ein Paradies in verjüngtem Maßstabe. So erzählen die Weisen: אחת למ' שנה היו זורעים vor der Sintflut brauchte man nur einmal in vierzig Jahren das Feld zu bestellen, היה להם אויר יפה כמן הפסח עד העצרת es war ein ewiger Frühling, die Zeiten blieben sich immer gleich, היו מהלכין מסוף העולם ועד סופו לשעה קלה und auch die Zerklüftung der Kontinente war nicht vorhanden, so daß die rascheste Verbindung von einem Ende der Erde zum anderen möglich war. Sie finden in den vorsintflutlichen klimatischen Verhältnissen die Ursache der größeren Lebensdauer der Menschen, und in der klimatischen Stetigkeit, die vor der Sintflut herrschte, einen vornehmlichen Grund für den zunehmenden sittlichen Verfall: מי גרם להם שימרדו בי lassen sie Gott sprechen: Was hat sie zu einer solchen Entartung geführt? לא ע"י שהיו זורעין ולא קוצרין wohl der Umstand, daß die Natur in üppiger Fülle ihnen den Segen spendete, sie stets nur Gewinn und nicht Verlust zu verzeichnen hatten, שהיו יולדין ולא קוברין daß sie das Leben und nur selten den Tod kannten! –

Mit מבול trat darin eine folgenschwere Änderung ein. Durch מבול hat, wie die Weisen zu dem Vers עוד כל ימי הארץ bemerken, die Erde eine völlig veränderte klimatische Umgestaltung erfahren, unter deren Einflüssen sie seitdem steht: Von nun an und weiter יולדין וקוברין wird der Wechsel von Leben und Tod rascher eintreten, eine kürzere Lebensdauer die Folge sein; nunmehr, sagt Gott, לא אסף לקלל עוד את האדמה בעבור האדם werde ich der Erde nicht mehr wegen des Menschen fluchen müssen: denn die seit מבול erfolgte Umgestaltung der Erdverhältnisse wird das zur Erziehung des Menschengeschlechts erforderliche Maß von עצבון mit sich bringen (s. zu diesem Abschnitt Komm. 1 B.M. 8,22). Selbst das gewaltigste רשעות ist seitdem zeitlich begrenzt, und während in der vorsintflutlichen Zeit durch die ungemessene Lebensdauer der Menschen die Erfahrung des שם רשעים ירקב fast ausgeschlossen war, ist nunmehr eine neue Phase der Menschenerziehung eingeleitet, in deren Zeichen das זכר צדיק לברכה ושם רשעים ירקב sich in seiner segensreichen Folgen bewähren kann. –

 

Quelle: Rabbiner Dr. Salomon BREUER  Belehrung und Mahnung erster Teil Genesis  J. Kauffmann Verlag Frankfurt am Main 1936 S. 15-18

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