Rabbiner Samson Raphael HIRSCH
(1808-1888)
כי תשא
Auszüge aus dem
Kommentar zur Wochenabschnitt Ki Sisso
Kap.31 V.13 Diese sollen
sie geben, jeder, der hinübergeht hin zu den Gezählten: die Hälfte eines
Schekels im Gewichte des Heiligtums; zwanzig Gera der Schekel, die Hälfte eine
solchen Schekels Gott als Hebe.
Kap. 31 V. 13
…Als Gott Jissroél zum Werkzeug seines Reiches, d.i. zum Werkzeug seiner
Huldigung als Schöpfer und Gebieter im Menschenkreise, das ist ja eben nichts
anderes als zur Verwirklichung des „Sabbats“ erwählte, gab er dem Sabbat im
Jissroél das konkrete Symbol im Werkverbot, und es ward der Gottessabbat zum Menschensabbat. Fortan ist die Sabbat –
„Feier“ das Symbolum der Beziehung Gottes zu Jissorél und Jissroéls zu Gott,
das Erziehungszeichen, aß Gott uns sich geheiligt und heiligt.
Kap. 32, V.13 Gedenke
Abrahams, Jizchoks und Jissroél, deiner Diener, denen du bei dir geschworen und
zu denen du gesprochen hast: ich werde eure Nachkommen wie die Sterne des
Himmels vermehren, und dieses ganze Land, von dem ich gesagt, daß ich es euren
Nachkommen geben werden das sollen sie für immer als Eigentum behalten.
Kap. 32, V.13
…Diese Erinnerung an die Erzväter und an die ihnen gegebene eidliche
Zusicherung dürfte wohl nicht in dem Sinne zu verstehen sein, als ob diese
Zusicherung der beabsichtigten Vernichtung des Volkes entgegenstehe. Denn durch
die zugleich angedeutete Neubildung eines großen Volkes aus Moses
Nachkommenschaft würde ja gleichwohl diese Zusicherung sich erfüllen. Mosches
Nachkommen sind doch auch Abrahams, Isaaks und Jakobs Nachkommen. Vielmehr
scheint diese Erinnerung in tieferem Zusammenhange mit Moses ganzer bisheriger
Betrachtung und der darauf gegründeten Bitte zu stehen und folgt daher als
Schlussunterstützung diese Bitte nach. Zuerst wird durch Nennung Abrahams,
Isaaks und Jakobs an den edlen Kern erinnert, aus dem dennoch diese ganze jetzt
„hartnäckige“ Volk entsprossen, der doch von so urkräftigem, sittlichem Adel
gewesen sein muss, daß dem Abraham ein gleich edler Isaak und dem Isaak ein
gleich edler Jakob gefolgt, und der daher gewiss in dem ihm entsprossenen Volke
nicht ganz verloren sein kann, somit sicher im Laufe der Zeit sich
durcharbeiten und ihrem Ursprunge ähnliche Menschen erzeugen wird. Ferner wird
durch die Erinnerung an den Eid hervorgehoben, daß doch die Gewissheit eben
dieser unverlierbaren Fähigkeit würdig zu werden, bei dem Eide vorgeschwebt
haben müsse, sonst würde eben nicht eidlich haben zugesichert werden können,
daß die Nachkommen ein ewiges Anrecht auf das Land haben sollen. Wie, wenn sie
nun alle entarten, und nicht einmal ein Moses sich unter ihnen fände? Dieser
Eid selbst setzt voraus, daß Abrahams Nachkommen in ihrer Gesamtheit nie so
entarten können, daß sie nicht durch eine erziehende Gottesführung zum Bessern
gebracht zu werden vermöchten, und eben an diese, bei der ganzen Erwählung
Jissroéls vorauszusetzende Erziehung zum Besseren, an diese notwendigerweise mögliche
Zukunft appelliert Mosche, um die augenblickliche Vernichtung abzuwenden. …
V. 29 Nachdem
sie die Gesetz rettende Tat vollbracht hatten, sprach Mosche zu ihnen:
„Bleibet, was ihr heute begonnen!“ Setzet euch selber ein zu „Eiferern“ und
Vertreter des göttlichen Gesetzes. Keiner besonderen Bestellung, keiner
besonderen Berufung bedürft ihr dazu. Wo das Gesetz im Volke gehöhnt wird, da
ist jeder zum Vertreter und Retter des Gesetzes berufen, die Pflicht und die
Verantwortlichkeit, die auf jedem ruht, stellt ihm den Bestallungsbrief aus,
und je weniger Amt und Bestallung sein Tun zum amtlichen Thun stempelt, um so
bedeutsamer und wirksamer ist seine rettende Tat, um so tiefer sagt sie jedem,
welcher Geist in allen lebendig sein sollte. – …
Kap.34 V.8 Da eilte Mosche, neigte sein Haupt zur Erde
und warf sich hin,
V 9. und sprach: Wenn ich denn Gewährungswürdigkeit in
deinen Augen erreicht habe, mein Herr in unserer Mitte; weil es ein
hartnäckiges Volk ist, wirst du unsere Krümme und uns so zu deinem bleibenden
Eigentum gewinnen!
Kap. 34 VV.
8,9 …Wie die politische Schwäche und preisgegebene Hilflosigkeit es gerade ist,
die Jissroél als das geeignetste Volk zur Offenbarung der Gottesmacht in der
Geschichte erscheinen ließ, so läβt eben seine natürliche Hartnäckigkeit es als
das geeignetste erscheinen, die Göttlichkeit des vermittelst seiner der
Menschheit zu überbringenden Gesetzes und alle Wundermacht der göttlichen
Erziehungswaltung zu offenbaren. Eben weil es ein hartnäckiges Volk ist, eben
darum möge Gott, dessen „Diener“ an das Volk ja Moses ist, in seiner Mitte
wandeln, an ihm, an diesem „härtesten“ Volke alle die erziehende Wundermacht
seines Gesetzes und seiner Waltung zeigen, und so lange verzeihen und immer
wieder verzeihen – jede Verzeihung jetzt einen Schritt zur Besserung voraus – bis
das Erziehungswunder an Jissroél vollendet und dieses härteste Volk für immer
Gottes Eigentum geworden sein werde. …
V.10 Darauf sprach er: Siehe, ich errichte einen Bund:
in Gegenwart deines ganzen Volkes werde ich Wunder vollbringen, die auf der
ganzen Erde und unter allen Völkern nicht geschaffen worden; es soll das ganze
Volk, in deren Mitte du bist, das Werk Gottes sehen, wie es zu fürchten es ist,
was ich mit dir vollbringe.
V.10 …Es wird
somit die „Sendung Mosis“ als Unikum im Raum und Zeit dastehe, und dadurch die
Einzigkeit und Unantastbarkeit (– נורא
– ) des durch ihn gebrachten Gottesgesetzes für alle Zeiten bewahrheitet
sein. Eine Dokumentierung, die zunächst
für Jissroél verwertet werden soll. Indem nämlich mit dieser Erwiderung Moses
V.9 ausgesprochener Bitte willfahrt werden soll, in welcher die ganze Zukunft
des Volkes bei der Wiederanknüpfung der Gegenwart mit in Berechnung gezogen,
und eine Geschlechter hindurch dauernde Erziehung des Volkes zu der ganzen Höhe
des göttlichen Gesetzes in Aussicht und vom Gott vertretenen Unantastbarkeit dahin
gestellt und dem Volke für alle Zeiten zum Bewusstsein gebracht sein, daß die
„Sendung Mosis“ als בריאה, als Gottesschöpfung im Mitte der Menschengeschichte
dastehe, als solche aber sich von allen anderen ihrem ganzen Wesen nach völlig
unterscheide und mit nichts in Vergleich zu bringen sei, was sonst auf Erden
unter Völkern als Religion, Gesetz u.s.w. entstanden ist und entstehen wird.
Diese „Sendung Mosis“ tritt zunächst jetzt an Jissroél hinan und hat die
göttliche Absolutheit ihrer siegenden Kraft in der Gewinnung diese „harten“
Volkes zu erproben.
V.15. Würdest
du den Bewohner des Landes einen Bund errichten, so würden sie ihren Göttern
nach abweichen, würden sie ihren Göttern opfern, und es ladet dich einer ein
und du iβest von seinem Mahle,
V.16 und nimmst von seinen Töchtern für deine Söhne, es
weichen dann seine Töchter ihren Göttern nach ab und bringen auch deine Söhne
zum Ab- und Hinfall an ihre Götter.
V.15,16 Indem
auch der Götterdienst der anderen Völker durch זנה ausgedrückt wird, ist damit auch das Verhältnis, in
welchem Gott zu allen anderen Menschen stehen will und in welchem alle anderen
Menschen zu ihm stehen sollen, unter dem Bilde derselben Innigkeit gedacht, wie
dies bei Jissroél unter dem Begriffe der Ehe gefasst wird. Auch ihr Wesen
sollte mit Gott in ewiger Treue vermählt sein, und auch ihr Heidentum ist ein
Treubruch gegen Gott. …
V.24 Wenn ich Völker vor dir austreibe und dein Gebiet
ein weites sein lasse, so wird doch niemand dein Land lüstern antasten, wenn du
hinaufziehst, unmittelbar vor dem Angesicht Gottes, deines Gottes, dich zu
sehen dreimal im Jahre!
V.24 כי אוריש וגו' wird
die jährlich dreimal sich wiederholende Tatsache sein, die unmittelbare
Beziehung Gottes zu Jissroél, und den mächtigen, einzig durch Jissroéls
Hingebung an Gottes Gesetz erzielten Erfolg in der offenkundigsten Weise vor
Augen legen soll: כל זכורך wie es im vorigen Verse heißt, alles
Mann- und Wehrhafte in Jissroél wird im Mittelpunkte, in Jerusalem, um das
Heiligtum des göttlichen Gesetzes versammelt sein und kein lüsterner Feind wird
es wagen, das reiche offen liegende Land zu betreten. Jissroéls Land wird nicht
durch eine Armee an den Grenzen, sondern durch Gotteshuldigung vom Mittelpunkt
aus geschützt ולא יחמד: siehe zu Kap. 20,14