donderdag 20 juli 2023

Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH Kommentar Haftoro DEWAURIM (Auszug)


 Rabbiner Dr. Mendel HIRSCH

              (1833 1900)

 

הפטרת פרשת דברים

   Aus dem Kommentar zur Haftoro des Wochenabschnittes Dewaurim

Jesajas Kap. 1, Vers 1 und folgende

Für den Sabbath, der der Wiederkehr des Jahrestages der Zerstörung des Tempels vorangeht, ist die Haftora jenem ersten Kapitel des Propheten Jesajas entnommen, das in großen Züge Wesen und Bestimmung Jissroéls, seine Stellung inmitten der Menschheit, die Höhe seiner Aufgabe und die Tiefe seiner Gesunkenheit  in ergreifender Anschaulichkeit uns vor die Seele führt. Eine Gesunkenheit, die die Vernichtung des Staates und die Vernichtung des Tempels als einzige Rettung Jissroéls für seine ewige Bestimmung zur Notwendigkeit machte. „Jerusalems“ Zerstörung ist „Zijauns“ – Befreiung, und „Pflichttreue“ und „Rückkehr zu Zijaun“ ist die alleinige Heilung für Jisroel! – mit diesen inhaltsvollen Worten klingt die Haftora aus (V. 27) und gibt damit sofort der Trauer des Neunten Ab den scharf umgrenzten Inhalt. Nicht darüber trauert der Jude, daß vor zwei Jahrtausenden der Tempel zerstört wurde, sondern darüber, daß er zerstört werden musste. Nicht über die Zerstörung, sondern über die Ursachen seiner Zerstörung. Nicht sowohl in die Vergangenheit, vielmehr auf die Erkenntnis einer jeden Gegenwart wird damit der Blick gelenkt, um sie unter dem Gesichtspunkte zu prüfen, ob denn diese Ursachen geschwunden, ob der Gehorsam gegen das Gottesgesetz, ob das von diesem Gesetze erstrebte edle Menschentum schon also in den Gängen der Zeiten im jüdischen Kreise die Stätte der Verwirklichung gefunden hätten, aß der Tempel, wenn er wieder erstanden wäre,  nicht aus denselben Gründen wie vor Jahrtausenden sofort wieder dem Untergang geweiht wäre, um de Namen Gottes vor Entweihung und Jissroél vor gänzlicher Entfremdung und dauerndem Versinken in den Wahn entsittlichender Vorstellungen und heidnischer Gesinnungen zu retten.  

Denn Entsittlichung und nicht Sittigung, heidnische Entfremdung und nicht gottesfürchtige Annäherung bewirken Opfer, Tempelbesuch, Gebet und Festversammlung, die nicht als Rüstung, sondern als Ersatz für den wahren Gottesdienst des in Pflichttreue sich vollendeten Lebens vollzogen werden. (V 11 – 15). Die schrankenlose Selbstsucht, die Gier nach dem Gewinn, der Missbrauch der Macht im Dienste ihrer Interessen auf Seiten der Grossen, und dieselbe Gier nach Gewinn in allen Schichten der Bevölkerung, die Vergewaltigung der annehmerlosen Witwen und Waisen (V. 23), die Üppigkeit und die sittliche Entartung, und dabei die gänzliche Verständnislosigkeit, die zugleich Ursache und Wirkung der Entartung ist (V.22),  – sie lassen das Gottesvolk, nach dem niederschmetternden Ausdruck der Propheten, in seiner sozialen Gliederung als „Herren von Sodom und als Volksgesellschaft von Amora“ erscheinen. –  Deshalb soll jeder wiederkehrende Neunte Ab einer jeden Generation in Jissroél im Lichte dieses Prophetenwortes die Frage nahe legen: ist unsere jüdische zeitgenössische Gegenwart schon so sehr vom jüdischen Geiste durchtränkt, von jüdischer Gesinnung beseelt,  von Erkenntnis des Judentums, von der Erkenntnis des ganzen umfassenden und tiefen Inhalts des Gottesgesetzes, daß sie die würdige Umgebung des in seiner Mitte entstehenden Gottestempels bilden könnte? Gähnt nicht vielmehr vielleicht tiefer als je die Kluft zwischen Jissroél und seinem Gotte?

Kap. 1 V.1 חזון von חזה, verwandt mit חצה, in die Mitte eindringen: das geistige Schauen, das Wahrnehmen des dem sinnlichen Auge sich entziehenden Wesens der Erscheinungen, die Erkenntnis ihres wahren Charakters. Das betörte Volk glaubte durch den Bestand des Tempels und die Exaktheit des Tempeldienstes seine Zukunft gesichert. Des Propheten Auge schaute aber die Wirkliche Natur der herrschenden Zustände.

V.2 שמעו שמים וגו' . Die Anrufung des Himmels und der Erde weist darauf hin, daß die hier besprochenen Verhältnisse von umfassender welthistorischer Bedeutung seien. Wie 1 B.M. 1,26 und 2,5 ausgesprochen ist, bildet die Erschaffung  des Menschen die Krönung der Schöpfung und die Einsetzung des Sabbaths als Erziehers des Menschen zu Gott ihren Schlußstein (das. 2,2). Nachdem der Sabbathgedanke verloren gegangen und die Menschheit immer tiefer gesunken war, bildete die Gründung Jissroéls, also die Erwählung Abrahams (das. 12,2 f.) und die Berufung Jissroéls zur menschheitspriesterlichen Träger des Gottesgesetzes (2 B.M. 19,6) und damit der ewigen Wahrheiten von Gott und vor allem von der Bestimmung des Menschen, von der Gotteskindschaft aller Menschen – den mächtigen Heben für die Erziehung der Menschheit. Dem beschränkten Stammesbewußtsein aller anderen Völker wurde mit einem Schlage das Panier des universellsten Menschentums entgegengehalten, das ausnahmslos alle Menschen zur Auf- und Einkehr ins gemeinsame Vaterhaus ladet, als dessen Priester nur die Abrahamsfamilie dastehen sollte. Wenn daher der Menschheitspriester selbst höchst unpriesterlicher Entartung rettungslos zu verfallen, wenn der Fahnenträger selbst schmählich fahnenflüchtig zu werden drohte, so war damit ein mächtiger Hebel der göttlichen Menschheitserziehung gefährdet. Das seinem Gotte untreu geworden Jissroél übte damit zugleich Verrat an der heiligen Sache der Gesamtmenscheit. Deren Vollendung aber steht im innigsten Zusammenhange mit den höchsten Zielen der göttlichen Weltwaltung. Deshalb werden „Himmel und Erde“ aufgerufen, Zeugen des gegen Jissroél gerichteten anklagenden Gotteswortes  zu sein.

Ferner.  Nach der jüdischen Anschauung, die durch die Bestimmungen des Rechtsverfahrens erzeugt ist, sind die Zeugen zugleich mit der Urteilsvollstreckung betraut. Indem hier nun Himmel und Erde angerufen werden, werden sie, also alle auf die Gestaltung der menschlichen Verhältnisse wirkenden Kräfte und Wesen, in den Dienst der auf die Erziehung, des entarteten Jissroél gerichteten Waltungsziele des Allmächtigen gestellt. Ganz so wie zur segnenden Förderung des seinem Gotte treuen Jissroél bestimmt wurden. 2 B.M. 11,14 ff. Dieselbe Anrufung, mit der einst der scheidende Moses seinen „zum Zeugen“ wider sein Volk bestimmten gottschauenden Sang begann, sie bildet auch den Anfang des durch Jesajas an sein Volk gerichteten Prophetenwortes.

כי ה' דבר: Nicht ein sterblicher Mensch, Gott ist es, dessen Wort hier ausgesprochen wird.

בנים: Nicht zitternde Knechte, sondern Kinder, die tragen und auf- und ausbauen sollen, was ihr himmlischer Vater ihnen übergibt, denn das heißt בן im Geiste des jüdischen Sprachgedankens – גדלתי: ich habe sie in sorgsamer Erziehung für ihre Bestimmung vorbereitet, ורוממתי: und nicht ein Leben der Armut, Weltflucht und Entsagung habe ich mit Erteilung meines Gesetzes zu ihrem Lose gemacht, vielmehr durch Überweisung des reichgesegneten Landes, eines verjüngten Paradies auf Erden, und durch Zusicherung meines Schutzes gegen alle Feinde habe ich sie hoch dahingestellt – : und gerade sie haben sich gegen mich empört, sind von mir abgefallen und haben Verrat geübt an der ihnen übertragenen Sendung.

V.3 ידע שור וגו' Selbst das Tier würde sich solch schnöden Undanks nicht schuldig machen. Es kennt seinen Wohltäter und hegt Anhänglichkeit an seinen Herrn, „קנהו: der ihn gekauft“, nicht „erzogen“ hat, wie Gott Jissroél. – Die „Krippe seines Herrn“, gegenüber dem רוממתי, der hohen Stellung, die Gott Jissroél angewiesen. – ישראל לא ידע, – ohne Objekt, dadurch wird der Prädikatsbegriff erweitert. Jissroél,  das den Gott, der es erzogen und der sein Herr ist, nicht erkennt, hat damit auch keine Erkenntnis von der Welt als einer Gotteswelt, und eben damit auch kein Verständnis seiner Stellung und Bestimmung als עם ה', als Gottesvolk, deshalb: עמי, es, das „mein Volk sein sollte, begreift sich nicht“. Sie haben keine Ahnung von der Bedeutung des Gottesgesetzes und der einzelne Gebote, noch von denjenigen der sie treffende Geschicke.

V.4 גוי: die Nation als Einheit; עם: als Volksgesellschaft. Weil Jissroél ein Reich von Priestern sein sollte, sollte es auch in seiner staatlichen Gesamterscheinung den Charakter der Heiligkeit tragen, ein גוי קדוש sein. Vergl. 5 B.M. 6,9: dasselbe Sittengesetz, das für das Einzelleben gilt, sollte auch im öffentlichen Leben herrschen, וכתבתם על מזוזות ביתך ובשעריך. Als גוי und als עם tritt Jissroél der schwerste Vorwurf. זרע מרעים וגו': es, das als Gottessaat in den Boden der Menschheit gestreut werden sollte, ist denen gleich geworden, denen es ein Vorbild hätte sein sollen, ist selbst nur eine Saat von Frevlern; und die zuerst wieder, den Menschenbrüdern vorangehend, als בנים, in das reine Verhältnis der Gotteskindschaft eintreten sollten, sind משחיתים geworden, in tiefer Entartung ihrem Vater gänzlich entfremdet.

… … Angesichts dieser hoffnungslosen Zustände bricht der Prophet in die Worte aus:

V. 9. Hätte nicht Gott in seine Gnade „uns“ einen Rest erhalten, wie winzig klein er auch erscheine, so wäre das „Priestervolk“ von dem wohlverdienten Sodom-Geschicke ereilt worden! Dieses „uns“ ist aus der Seele eben des treugebliebenen Kernes der Nation, des שאר gesprochen.

V.27. So wird das Gottesgericht, das das jetzige Jerusalem zerstört, sich für Zijaun, die Lebensseele Jissroéls, als die Rettung erweisen.

Auf dieses Ziel will der Sabbath vor der Wiederkehr des Jahrestages der Tempelzerstörung, der von dem Anfang unseres Prophetenwortes im Volksmunde seinen Namen hat, unsren Blick von Jahr zu Jahr richten; im Lichte dieses Zieles will er uns eine jede Gegenwart begreifen und würdigen lehren, und für den Dienst der Herbeiführung dieses Zieles, an der ein jeder jüdische Sohn, eine jede jüdische Tochter mitzuwirken berufen ist, will er uns mit stets neuem Mute und erneuter Zuversicht unsre Kraft vor Gott sammeln lassen.

Dann bringen uns diese Tage nicht ein Gefühl niederschlagender, lähmender Trauer, sondern dieser selbige Rückblick durchdringt uns mit dem Frohgefühl, daß Gott uns nicht verlassen, daß vielmehr gerade nur seine Gnade es ist, die uns erhalten hat. Dafür ist ja die Tatsache selbst, daß wir noch da sind und bewußtvoll zurück in die Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft schauen können, die beste und stärkste Bürgschaft. Dies hat niemand je herrlicher ausgesprochen, als gerade der Prophet, dessen „Klage“ das trauernd zur Erde niedersitzende Jissroél am Neuten Ab vor Gott im Geiste an die Trümmer Jerusalems und des Tempels versetzt. „חסדי ה', es ist doch nur das Walten der tausenfältigen Gnadeoffenbarungen Gottes, daß wir noch nicht dahingeschwunden sind, כי לא תמנו (erste Person, nicht: תמו), das ist der Beweis dafür, כי לא כלו רחמיו, daß noch nicht aufgehört hat sein Erbarmen; vielmehr stehen wir da: חדשים לבקרים, neuverjüngt an jedem Völkermorgen, in jeder „neuen Ära der Geschichte“, denn „unendlich ist deine Treue, רבה אמונתך!“ – ( Klagel. 3, 22 f.)  

(Die Haftoroth übersetzt und erläutert, Frankfurt am Main 1896: S. 304-317  Kommentar zu Jesajas Kap. 1 V.1…) 

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